Langenfeld Verhältnis zur Forensik hat sich entspannt
Langenfeld. · Die Forensik in der LVR-Klinik Langenfeld gibt es dort seit mehr als 100 Jahren. Im Maßregelverzug werden die Patienten rund um die Uhr betreut.
Es ist still geworden um die Forensik in der Klinik des Landschaftsverbands Rheinland (LVR). Zum Glück. Denn das war schon einmal anders. Und zwar, bevor die Klinik Anfang der 1990er Jahre ihre Plätze für psychisch kranke Straftäter erhöhte und dafür eine hochgesicherte Station baute. Da war die Angst nicht nur bei den unmittelbaren Anliegern in Reusrath groß. Eine Bürgerinitiative versuchte, das Vorhaben zu verhindern.
Heute leben die Langenfelder entspannt mit der Situation, sagt die Chefärztin und Psychiaterin Jutta Muysers, die seit Ende der 1980er Jahre in der LVR-Klinik arbeitet. „Eine Forensik gibt es hier seit Bestand der Klinik, also seit über 100 Jahren“, sagt sie. Auch wenn Muysers selbst nicht mehr therapiert, kennt sie doch alle Patienten in ihrer Abteilung: die Schizophrenen, die Suchtkranken, die mit gestörter Persönlichkeit und die geistig Behinderten. Die jahrelange Begleitung der Menschen lässt sie und ihr Team früh erkennen, wenn Gefahr droht, wenn beispielsweise der Ausgang des Patienten wegen seines akuten Zustandes nicht sinnvoll ist. „Wir haben das Risiko immer im Auge. Es geht nicht darum, dem Patienten etwas Gutes zu tun, es geht darum, ihn zu therapieren und die Öffentlichkeit zu schützen“, sagt Muysers.
Alle Patienten der Forensik sind geschlossen untergebracht – hinter 5,50 Meter hohen, mit Spitzen bewehrten Zäunen. Die Türen sind mit einem elektronischen Schloss versehen. Manche Abteilungen sind nur durch Sicherheitsschleusen zu erreichen. Die Aufnahmestation ist durch einen 7,50 Meter hohen Zaun separat gesichert. „Einen gewalttätigen Ausbruch habe ich hier noch nie erlebt“, sagt Muysers. Außerdem gibt es die „innere Sicherheit“: Jeder Patient hat einen Bezugspfleger, der mit ihm ständig in engem Kontakt steht. 24 Stunden lang betreut das Personal die Menschen im Maßregelvollzug.
Die Hälfte der Forensik-Patienten leidet an Schizophrenie. „Sie sind gut zu therapieren und haben mit dem richtigen Umfeld draußen und dem Bewusstsein, regelmäßig ihre Medikamente nehmen zu müssen, eine gute Chance, nach der Therapie als ungefährlich entlassen zu werden und ihren Weg zu gehen“, sagt Muysers. Die meisten der schizophrenen Patienten haben Körperverletzungen und andere aggressive Handlungen begangen, weil sie sich bei einem ihrer Krankheitsschübe verfolgt oder bedrängt fühlten.
Neben den psychisch kranken Straftätern sind in der Klinik auch suchtkranke Straftäter untergebracht. Sie haben oft zur Beschaffung ihrer Suchtmittel Einbrüche, Raubdelikte oder andere Gewaltdelikte begangen. Ihr Aufenthalt in der Klinik ist meist auf zwei Jahre beschränkt. Wenn die Therapie gut anschlägt, können sie an der Arbeitstherapie auf dem historischen Gutshof oder an der Gartengruppe teilnehmen. Für viele ein Privileg. Auch die geistig behinderten Straftäter werden immer wieder aufs Neue begutachtet. Sie gehören mit zu denjenigen, die am längsten in der Klinik bleiben, manchmal auch für immer. Dennoch werden sie stetig therapiert.
In der Tat sichert der Landschaftsverband in der Langenfelder Klinik auch schwer gestörte Persönlichkeiten, die andere Menschen verletzt oder getötet haben. Die Behandlung kann lange dauern, oft mehr als 15 Jahre. „Nur wer nicht mehr als gefährlich gilt und draußen von einem dichten System kontrolliert wird, kann die Klinik vielleicht irgendwann einmal verlassen“, sagt Muysers.
Es ist nicht zu verhindern, dass immer mal wieder jemand beim Ausgang entweicht. Das macht meist viel Wirbel, ist aber in der Realität „oft harmlos“, versichert die Expertin. Sie nennt ein paar Beispiele: ein Schizophrener, der Sehnsucht nach seiner Mutter im Altenheim hatte, ein Alkoholabhängiger, der sich drei Bierchen draußen trinkt. Ein Drogenabhängiger, der sich auf die Suche nach Stoff macht. „Bisher haben wir alle wieder aufgegriffen und zurückgebracht oder sie sind von selbst zurückgekehrt.“
Ein Beirat aus Bürgermeister, Politik, Polizei und Klinikleitung schafft Transparenz und Vertrauen in der Bevölkerung. Ein Krisenstab mit Fachleuten steht im Notfall sofort parat. Zuletzt war ein forensischer Patient im Mai 2012 bis in die Schweiz geflohen. Fünf Tage später wurde er gefasst – ohne, dass etwas passiert war.