Sie sind in Bezug auf das Corona-Virus alle im kritischen Alter. So zumindest hat es die Wissenschaft festgelegt und die Gesellschaft mittlerweile verinnerlicht. Haben Sie eigentlich Angst?
Langenfeld/Monheim Wie die Risikogruppe Corona sieht
Langenfeld/Monheim. · Ein Gespräch mit vier Älteren über ihr Leben mit Corona, was sie daraus machen und wie sie sich fühlen.
In diesen Tagen wird viel von den „schutzbedürftigen Alten“ gesprochen. Das sind die über 65-Jährigen und diejenigen mit sogenannten Vorerkrankungen. Seit Corona gehören sie zur „Risikogruppe“. Wir wollten von vier Vertretern dieser Gruppe hören, wie sie sich zurzeit fühlen und sprachen deshalb mit Ex-Paniker und Karnevalist Emil Drösser (80), der ehemaligen Sportlehrerin und Senioren-Trainerin Christa Beseke (70), dem Musiker und ehemaligen Geschäftsführer der Langenfelder Schauplatz GmbH, Reinhard Küpper (69), und Luda Liebe, Künstlerin und Persönlichkeits-Coach.
Luda Liebe: Nein! Ich gehöre seit meiner Kindheit zur Risikogruppe, da mein Körper hypersensibel und unberechenbar reagiert: auf Krankheitserreger genauso wie auf Natur, Chemie und Medikamente. Von daher bin ich „schon immer“ mit großer Achtsamkeit unterwegs.
Christa Beseke: Meiner Angst vor möglicher Ansteckung begegne ich dadurch, dass ich mich in den Medien informiere und so für mich und meine Umgebung ein vernünftiges Maß von Verhaltensregeln finde. Das nimmt mir viel vom Druck.
Reinhard Küpper: Angst habe ich nicht. Respekt würde ich sagen, und ich gestalte mein Leben mit einer guten Portion Vorsicht.
Emil Drösser: Nein. Am Anfang, muss ich gestehen, habe ich das gar nicht ernst genommen. Dann, mit den vielen Infizierten und Toten schon. Ich tue, was man uns vorschlägt. Es sterben mehr Menschen an der Grippe.
Die Kontaktsperre war heftig – wochenlang allein oder höchstens im engsten Familienkreis zu Hause bleiben. Haben Sie das Gefühl, dass Ihnen dadurch Lebenszeit verloren gegangen ist?
Luda Liebe: Nein. Ich bin schon immer gerne alleine und in meinen Wohn- und Arbeitsräumen. Neu war die beruflich und privat völlig terminfreie Zeit. In der konnte entspannt Neues entstehen.
Christa Beseke: Nein, es ergibt sich sogar ein Zugewinn. Wir leben mit unserer ältesten Tochter, Mann und sechsjährigem Enkel im Mehrgenerationen-Haus. Ich erlebe spontane Radtouren mit Entdeckerpotenzial, genieße die erwachende Natur und meinen Garten. Im Wochenablauf fehlen mir lediglich die liebenswerten Teilnehmer meiner Seniorensportgruppe.
Reinhard Küpper: Lebenszeit nicht, jedoch Lebensfreude, die ich mit meinen Musikfreunden in der Band verbinde. Alle geplanten Konzerte bis Ende Juli wurden abgesagt. Da entsteht ein großes Loch. Ich hoffe sehr, dass es eine Fortführung unserer vielfältigen Kunst und Kultur nach Corona gibt. Dabei denke ich oft an den Schauplatz Langenfeld, meine frühere Wirkungsstätte. Die entstandene Leerlaufzeit fülle ich mit der Fotografie, die auch zu meinen Leidenschaften gehört.
Emil Drösser: Das lese ich immer wieder. Auf mich trifft das nicht zu. Man kann auch ohne Kneipenbesuch seine Zeit sinnvoll verbringen. Und in Urlaub fahre ich eh nicht, weil es in Monheim am schönsten ist. Bei mir passte der Zeitpunkt der Kontaktsperre sogar ganz gut. Ich habe ein neues Knie bekommen und bin am Sprunggelenk operiert worden. Von daher konnte ich nicht so viel unternehmen. Natürlich fehlt mir der Umgang mit meinen Freunden. Aber ich habe mich mit der Situation arrangiert. Fahre ein bisschen Rennrad und habe zu Hause zu tun. Langweilig ist mir nicht.
Haben Sie jüngere Angehörige, besonders Kinder, die sich um Ihr Wohlbefinden sorgen und Sie Ihre „Schutzbedürftigkeit“ auch spüren lassen?
Christa Beseke: Unsere Tochter achtet tatsächlich penibel darauf, zu unserem Schutz ihre eigenen Kontakte zu minimieren oder ganz zu unterlassen. Dadurch ist das Zusammenleben angstfreier, ein bisschen heile Welt im Zuhause.
Luda Liebe: Nein, ich kenne nur Menschen die wissen, dass ich achtsam mit mir selbst bin und gut für mich sorge.
Reinhard Küpper: Ja, die habe ich. Aber auch gute Freundschaften zeigen jetzt, wie wichtig sie sind. Das Telefon klingelt deutlich mehr als sonst.
Emil Drösser: Na, ich hoffe doch, dass ganz Monheim um mich besorgt ist. Kinder habe ich keine. Ich bin der Letzte meiner Sippe. Aber ja, die Tochter meiner Lebensgefährtin ruft täglich an. Gut, sie ist weit weg. Sie sagt schon einiges. Und sie selbst macht, was sie will.
Es wird viel davon geredet, dass jüngere Menschen weniger gefährdet sind und schneller wieder ins normale Leben eintauchen dürfen. Empfinden Sie das nicht als eine Stigmatisierung der älteren Generationen?
Luda Liebe: Wie die ältere Generation generell das empfindet, weiß ich nicht. Ich persönlich freue mich sehr über die vielen Pandemie bedingten digitalen Angebote: Besprechungen und Konferenzen genauso wie Konzerte, Theater oder Tastings. Und nach der Lockerung genieße ich es, dass in Museen oder Zoos jeweils nur eine begrenzte Personenzahl Einlass findet.
Christa Beseke: Persönlich fühle ich mich nicht stigmatisiert oder den Jungen gegenüber benachteiligt. Im Gegenteil: Ich spüre die Entlastung, mich nicht wie meine Kinder um Organisation kümmern zu müssen, Homeoffice nebenbei zu erledigen oder finanzielle Einbußen zu bewältigen. Dafür bin ich sehr dankbar. Vielmehr nerven mich Politiker, die mantragleich die Schutzbedürftigkeit von uns Alten betonen. Das führt meines Erachtens bei vielen naiven, ungeduldigen jungen Leuten zu vermehrtem Frust und auch Respektlosigkeit. Zudem lässt es sie falsche Schlüsse bezüglich ihrer eigenen Gefährdung ziehen. Ich wünsche jedenfalls Alten wie Jungen: Habt Spaß auch an kleinen Dingen im Alltag.
Reinhard Küpper: Davon lasse ich mich nicht beeinflussen. Ich versuche, mit meinen Möglichkeiten gut durch diese Corona-Krise zu kommen. Das Alter spielt keine Rolle. Vorerkrankungen sind, glaube ich, relevanter. Außerdem fühle ich mich mit 69 Jahren noch recht jung. Stigmatisierung älterer Menschen? Nein.
Emil Drösser: Es gibt Menschen, die sind in der Tat mehr gefährdet als andere durch Lungen- oder Herzerkrankungen. Die müssen sicher geschützt werden. Ich selbst fühle mich gesund und widerstandfähig. Ich fahre viel Fahrrad. Ich beziehe das einfach nicht auf mich. Schließlich fühle ich mich fit, arbeite jeden Tag – zum Bespiel für die Stiftung „Minsche vür Minsche“. Und ich helfe einem Freund. Ich bin noch richtig berufstätig. Meine Frau sagt manchmal, eigentlich müsste ich noch jemanden einstellen.