Mit Ihrer Position als neue Abteilungsleiterin Interkulturelle Bildung sind Sie berufen, sich für ein besseres Miteinander einzusetzen. Was motiviert Sie?
Monheim Annika Patz „Immer das Individuum betrachten“
Annika Patz leitet jetzt die neue Abteilung Interkulturelle Bildung.
Annika Patz: Ich habe nach dem Abitur als Freiwillige ein Jahr lang in Ecuador für ein Projekt von Einheimischen gearbeitet. Dort habe ich Kinder von Kleinbauern, die ihre Waren auf dem örtlichen Markt verkauft haben, betreut. Ich musste dabei auch meine eigene Position reflektieren. Ein Freiwilligendienst ist ein Privileg, das wenigen zukommt. Das hat schon mit ungerechten Strukturen auf der Welt zu tun. Dann macht man sich Gedanken, wie man selber sein Leben so führen kann, dass es positiv auf den Zusammenhalt in der Welt wirken kann. So kam ich zum Thema Fair Trade. Seitdem beschäftige ich mich auch mit interkulturellen Fragen.
Wie ist die neue Abteilung zusammengesetzt?
Patz: Darin sind jetzt mehrere Tätigkeitsfelder zusammengefasst: interkulturelle Bildung, die Städtepartnerschaften und das Thema Integration, darunter auch die Geschäftsführung des Integrationsrates, und Fair Trade. Wir setzen uns für ein vielfältiges Miteinander in der Stadt für alle ein, deshalb war es gut, die Kräfte zu bündeln und das Thema aus verschiedenen Perspektiven anzugehen.
Grundlage ihrer Arbeit ist ja unter anderem das von Prof. Beate Küpper gefertigte Handlungskonzept Interkulturelle Bildung: Folgt man der Autorin bis zur letzten Konsequenz, dann wird der Mehrheitsgesellschaft das Recht abgesprochen zu bestimmen, was „anders“, „fremd“ oder „unnormal“ ist.
Patz: Das Konzept stellt die Frage, wer sich das Recht nimmt zu bestimmen. Es ist problematisch, wenn man die eigenen Verhaltens- und Sichtweisen zum Standard erhebt und alles andere als Abweichung betrachtet.
Nun ja, es gibt in diesem Land ja schon einige Verhaltensnormen, die nicht nur ein konfliktfreies Zusammenleben, sondern auch eine gewisse Effizienz in Verwaltung und Wirtschaft ermöglichen...
Patz: Das Problem ist schon die Annahme, dass es sich bei der Mehrheitsgesellschaft um eine geschlossene Gruppe handelt, die sich an die Regeln hält, und es eine andere Gruppe gibt, die sich nicht korrekt verhält. Mir geht es darum, dass man sich als Menschen begegnet und nicht als Vertreter vermeintlicher Gruppen, und offen aufeinander zugeht.
So scharf würde ich die Linie
auch gar nicht ziehen. In jeder Gemeinschaft gibt es schwarze Schafe. Aber ich weiß nicht, was daran diskriminierend sein soll, wenn man sich etwa an der wilden Entsorgung von Hausmüll stößt...Das ist im Mutterland der Mülltrennung Norm abweichendes Verhalten.
Patz: Diskriminierung fängt dann an, wenn man bestimmte Arten des Umgangs bestimmten Gruppen zuschreibt. Stereotypen hindern uns daran, Menschen kennenzulernen. Wir sollten nie in Gruppen denken, sondern immer das Individuum betrachten.
Da stimme ich mit Ihnen überein. Wie offen sind denn die Monheimer für neue Perspektiven? Wie war die Resonanz zur interkulturellen Woche?
Patz: Wir hatten verschiedenen Akteure, die Angebote zum Thema Miteinander gemacht haben. Da haben genau diese Begegnungen stattgefunden. Besonders zu der Zirkusvorstellung im Ulla-Hahn-Haus kamen viele Besucher. Wir wollen aber noch weitere Multiplikatoren ansprechen, die das Thema weitertragen. Wir wollen auch die Öffentlichkeitsarbeit erhöhen, um noch mehr Menschen zu erreichen.
Welche Vorschläge aus dem Konzept sollen als erstes angepackt werden?
Patz: Wie planen an den internationalen Wochen gegen Rassismus im März 2021 teilzunehmen. Auch die interkulturellen fairen Wochen sollen wieder stattfinden. Wir werden uns mit den Schlüsselpersonen austauschen, wo die Handlungsbedarfe sind. Wir brauchen die Perspektive derjenigen, die von Diskriminierung betroffen sind. Wo stoßen sie auf Barrieren, die sie daran hindern, am gesellschaftlichen Leben Teil zu haben? Das ist der Auftrag an die Mehrheitsgesellschaft, die solche ausschließenden Strukturen schafft.
Wie geht es mit den Städtepartnerschaften weiter?
Patz: Konkret planen wir jetzt die Feiern zu 50 Jahre Städtepartnerschaft mit Wiener Neustadt. Weil 2020 Reisen nicht möglich waren, sind wir auf anderem Wege in Kontakt geblieben. Ich komme gerade aus einer Video-Konferenz mit den Österreichern. Ich war bisher noch in keiner der Partnerstädte, habe aber Delegationen, die hier zu Besuch waren, kennengelernt. Mit Bourg-la-Reine haben wir uns beispielsweise über Bürgerbeteiligung ausgetauscht. Wo sich Menschen treffen und austauschen können, fällt es leichter, die Perspektive zu wechseln.