Monheim: Der Herr der Auen und Käuze
Der Diplom-Geograph Holger Pieren kennt das kleine grüne Eckchen Monheims wie seine Westentasche.
Monheim. Koordinieren, Kartographieren und Kommunizieren: So könnte ein ganz normaler Arbeitstag von Holger Pieren (43) beschrieben werden. Gerecht würde man seiner Arbeit damit jedoch nicht.
Schon gar nicht, wenn man bedenkt, dass der Diplom-Geograph jedes noch so kleine grüne Eckchen Monheims wie seine Westentasche kennt - mitsamt der dort wuchernden Flora und wuselnden Fauna.
Der 43-Jährige ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter und stellvertretender Leiter der Biologischen Station, die viele Monheimern nur im Haus Bürgel sehen, wo sie ihren Sitz und Holger Pieren seinen Schreibtisch hat. Auch den muss es geben, denn jeden Morgen um 8 Uhr beginnt Pierens Job hier zunächst wie jeder andere - mit Papierkram. Den hat er heute schon hinter sich: Anrufe sind erledigt, Termine wurden vereinbart und Daten digitalisiert.
"Natürlich bin ich viel in der Natur unterwegs", erzählt der Geograph auf dem Weg zum Monbag-See, der heute seine erste Station sein soll. "Aber die Hälfte der Arbeitszeit verbringe ich trotzdem am Schreibtisch. Schließlich muss dort alles koordiniert werden."
Mit "alles" meint Pieren wirklich alles, was in Sachen Arten- und Landschaftsschutz in und um Monheim passiert: Wenn den Kopfweiden eine neue "Frisur" verpasst werden muss, braucht es die Feuerwehr und deren technisches Gerät. Wenn Brutstätten geschaffen werden, wird mit den Naturschützern zusammengearbeitet. Und wenn Bürger per E-Mail eine Frage zu einer erspähten Tierart haben, braucht es jemanden auf der anderen Seite des Bildschirms, in diesem Fall Holger Pieren.
"Am Rhein kann man bunten Halsbandsittichen begegnen, und kürzlich bekamen wir eine verwunderte Anfrage, was die Papageien hier zu suchen haben", lacht der gebürtige Sauerländer. Die sind schlichtweg ihren Besitzern ausgebüxt und kommen auch in den hiesigen Breiten klar. Naturfremd ist die Schreibtischarbeit also nicht, eher so etwas wie praxistheoretisch.
Danach aber geht es hinaus ins Grün der Baumberger Auenlandschaft, der Rheinufer oder eben an den Monbag-See, an dem Pieren mittlerweile sein Fernglas ausgepackt hat. Es ist Brutzeit und daher ruhig am Gewässer. "Einmal pro Monat werden hier die Tierbestände erfasst, um sie überregional hochzurechnen. Wir überprüfen damit, ob Maßnahmen Erfolg haben." Im Fachjargon heißt das "Ökologisches Monitoring". Die Freilegung einiger Ufergebiete von Baumbeständen jedenfalls war erfolgreich: Die Zauneidechse fühlt sich wohl und mehrt sich fleißig.
Zu den Maßnahmen gehört auch Konfliktmanagement: "In einem Ballungsraum möchte jeder Erholung - auch Angler und Segler. Deshalb haben wir den See in Zonen eingeteilt, der Nordteil ist stillgelegt, der Süden und die Mitte werden genutzt."
Die zweite Station markiert heute die Deichlandschaft am Rheinbogen. Frisch gestutzte Kopfweiden, umgeben von hüfthohen Gräsern, säumen das Rad- und Wanderwegesystem. Hier gibt es jeden Winter praktische Arbeit zu koordinieren, wenn die Kopfweiden vom überflüssigen Holz befreit werden.
Auch Holger Pieren scheut sich dann nicht, die studierten Hände schmutzig zu machen und packt selbst mit an. "Das hier ist der Lebensraum von seltenen Steinkäuzen", weiß der Geograph, "und wir renovieren deren Wohnung."
Seit 14 Jahren arbeitet er nun schon bei der Biologischen Station. Durch das Dickicht streifend greift Pieren zum Fernglas: "Eine Nachtigall", ruft er plötzlich, gefolgt von einem "Ach, es war nur eine Mönchsgrasmücke." Am flachen Ufer des Rheins, der dritten Station, angekommen, fällt dem Artenschützer eines sofort ins Auge: das Fahrrad, das da unerlaubt fernab vom Wegesystem steht.
"Deshalb ist eine unserer Aufgaben der Kontakt zu den Bürgern", erzählt Holger Pieren. Informationstafeln seien für viele Gebiete Monheims in Planung, Broschüren und Exkursionen sollen dem Bürger ohne erhobenen Zeigefinger sein Heimatgebiet näher bringen: "Hier am Rhein kann man rund 60 der
140 Vogelarten sehen. Da lohnt es sich, Verständnis zu haben, den Hund nicht immer frei herumlaufen zu lassen und die Wege zu benutzen", findet er.
Nun muss er zurück an den Schreibtisch, zum Haus Bürgel, wo dank der Arbeit der Station die Fledermäuse flattern.
Schließlich will die abendliche Vogelexkursion gut vorbereitet sein. Kein Tag ist wie der andere, kein Tag endet um Punkt fünf, und kein Tag vergeht ohne gelebten Naturschutz. Wenn Pieren aber abends zu Frau und Tochter nach Hause kommt, hat sein Job ein Ende. "Unser Garten ist Sache meiner Frau", lächelt der Naturliebhaber, fügt aber hinzu: "Bis auf die Wildblütenecke. Die habe ich für mich durchgesetzt."