Außergewöhnliches Kunstprojekt in Monheim Monheimer Schüler erinnern mit Porträts an Nazi-Opfer

Monheim · Schüler des Otto-Hahn-Gymnasiums haben in Kooperation mit der Kunstschule 20 „unmögliche Porträts“ von Monheimer Nazi-Opfern gemalt.

Die Schüler haben zusammen mit der Künstlerin Jin-Sook Chun (r.) „Unmögliche Portraits“ gerfertigt und somit Monheimer Holocaust-Opfern ein Gesicht gegeben.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Wie malt man ein Porträt einer Person, die man nicht kennt, von der es keine Fotos oder Vorlagen gibt und von der im Zweifel nur die Todesursache feststeht? Mit dieser durchaus weitreichenden Frage mussten sich die jungen Teilnehmer eines außergewöhnlichen Projekts auseinandersetzen, das zur Aufgabe hatte, Bildnisse von 20 Monheimer Bürgern anzufertigen, die den Nazis während des Zweiten Weltkrieges auf unterschiedliche Weise zum Opfer fielen. Die Werke, die anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktags entstanden, waren in der Altstadtkirche ausgestellt. Die Künstlerin Jin-Sook Chun hatte die Schüler angeleitet und sie künstlerisch begleitet.

Ein spannendes Projekt, das sich im weitesten Sinne auch mit der Erinnerungskultur künftiger Generationen beschäftigt, die nicht mehr das Privileg haben werden, mit echten Zeitzeugen über ihre Erlebnisse des dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte reden zu können. Wie also hält man die Erinnerung an etwas lebendig, zu dem man keinen persönlichen Bezug mehr herstellen kann?

Dass es geht, stellen die 20 Jugendlichen nun unter Beweis, die am Donnerstag ihre Ergebnisse in der Altstadtkirche präsentierten: Porträts von menschlichen Gestalten, die ohne Gesichtszüge auskommen und dennoch greifbar und spürbar ihre traumatische Geschichte und Leiden erzählen. Gemeinsam haben die Bildnisse als offensichtlichstes Merkmal die Farbwahl: dunkle Töne, schwarz, grau und rot überwiegen. So auch im Porträt, das Schülerin Pia Metz von Isidor Herz malte, einem Mann, Jahrgang 1880, der 1938 in Schutzhaft genommen und in Sachsenhausen misshandelt wurde. Ab 1940 lebte er versteckt und arbeitete illegalerweise in einer Essener Zeche.

Anhand dieser spärlichen Informationen zeigt Metz‘ Porträt von Isidor Herz eine Gestalt mit weißem Hemd, schwarzer Krawatte und schwarzen Hosenträgern. Im Hintergrund ist eine hohe Mauer mit Stacheldraht zu erkennen, was das Konzentrationslager Sachsenhausen symbolisiert. Im Gesicht des Mannes ist anstelle von Augen, Mund und Nase ein rotes Fördergerüst einer Zeche platziert.

Die Auseinandersetzung ist für
die Schüler etwas Besonderes

Anne Mieke Pleines hat sich mit dem Opfer Johannes Wilhelm Huygevoort auseinandergesetzt, ein Zwangsarbeiter, von dem man nur weiß, dass er bei den Rheinischen Presshefe- und Spritwerken arbeitete und der beim Baden im Rhein ertrank. Pleines Porträt zeigt eine männliche Gestalt ohne jegliche Gesichtszüge vor einem welligen Hintergrund, der an Wasser erinnert, die als vermeintliche Todesursache gilt. Niemand weiß, ob es so ist.

Für die Schüler ist diese Art der Auseinandersetzung mit Menschen aus ihrer Heimatstadt in einem weltgeschichtlichen Kontext eine Besondere, weil es die weit zurückliegende Geschichte für sie greifbar macht, wie Schüler Semih Meral äußerte. „Mein erster Kontakt zur NS-Zeit war 2016 erst mit 14 Jahren, als das Thema in der Schule besprochen wurde. Vorher hatte ich kaum was davon gehört. Ich wusste nichts darüber“, erzählt der heute 19-Jährige. Dabei sei es ein so wichtiges Thema, über das alle informiert sein müssten.

Der Bezug zu Menschen, die vor ihm an den für ihn bekannten Straßen der Stadt waren, macht es für ihn einfacher, sich damit auseinanderzusetzen. Beispielsweise habe er auf seinem Weg von seinem Wohnort in Langenfeld zur Ausstellung nach Monheim 18 Stolpersteine gesehen. „Ich bin über 18 Menschenleben gelaufen.“ Menschen, die durch seinen Wohnort eine Verbindung mit ihm haben. Er selbst malte ein Porträt von Stanislaw Tomczyk, einem polnischen Zwangsarbeiter, dessen Frau vor seinen Augen erschossen und der dann abtransportiert wurde, um für die Nazis zu arbeiten. Er starb bei einem Bombenangriff. „Seine Geschichte hat mich sehr berührt. Denn was ihm passiert ist, wirkt für uns so fern und gleichzeitig so nah. Eigentlich könnte es uns allen passieren.“