Unternehmen geben Mitarbeitern Pflege-Zeit
Konzerne wie Bayer und UCB ermöglichen Vereinbarkeit von Beruf und Pflege von Angehörigen.
Monheim. Elterngeld, der Ausbau der Kindergartenbetreuung für Kleinstkinder — für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Anders sieht es mit der Pflege aus. „Während das Thema Kinder positiv besetzt ist, ist die Sorge etwa um die pflegebedürftigen Eltern immer noch ein Tabu“, sagt Stefanie Kühn vom Kompetenzzentrum Frau und Beruf Düsseldorf. Wenn die Beschäftigten ihre Arbeitszeit reduzierten, gäben sie oft die Gründe dafür nicht an, aus Angst, als doppelt belastet und nicht mehr leistungsfähig wahrgenommen zu werden. „Deshalb wird das Problem von Unternehmen oft auch nicht aktiv angegangen“, sagt Kühn.
Beim kürzlich angebotenen Workshop zum Thema pflegesensible Personalpolitik im Mettmanner Kreishaus hätten viele mittelständische Unternehmer gesagt, dass sie das „Problem langsam auf sich zukommen sehen.“ Viele Unternehmer seien ratlos, welche Hilfestellungen sie anbieten könnten. „Die pflegenden Beschäftigten brauchen — ähnlich wie Eltern — Flexibilität und Verlässlichkeit“, das heißt flexible Teilzeitlösungen und die Möglichkeit zu Homeoffice-Tagen. An die Personalabteilung von UCB seien in den letzten Jahren vermehrt Fragen rund ums Thema „Pflege von Angehörigen“ herangetragen worden, berichtet Werner Bleilevens, Leiter der Kommunikationsabteilung. Da man eine Partnerschaft mit dem Beratungscentrum Monheim unterhält, können die Mitarbeiter dort telefonische oder persönliche Beratung in Anspruch nehmen.
„Genutzt wird diese Option vor allem von Kollegen, die kurzfristig Hilfe benötigen, wenn Sie ad hoc mit einer solchen Situation konfrontiert sind“, so Bleilevens. „Dies regeln wir bei UCB dann schnell und unkonventionell mit einer Freistellung.“ Anträge nach dem Pflegezeitgesetz — also einer Freistellung bis zu sechs Monaten — seien eher die Ausnahme. Es würden eher die Angebote zur Arbeitszeitreduzierung gewählt, die es bei UCB gebe. Das reiche von einer Arbeitszeitreduzierung um 20 Prozent bei vollem Lohnausgleich über verschiedene Teilzeitmodelle und Homeoffice bis zur Möglichkeit eines Sabbaticals. „Dass sich jemand freistellen lässt oder gar seinen Job aufgibt, passiert selten: Die Menschen brauchen ihre Alltagsstruktur als Ausgleich für die oft sehr belastende Pflege“, weiß Kühn.
Dass Beschäftigte wegen einer privaten Pflegesituation das Unternehmen verlassen, ist auch nicht im Interesse eines Weltkonzerns wie Bayer. Unter dem Motto „lebensphasenorientiertes Arbeiten“ hat der Konzern, dessen Division Crop Science ihr globales Hauptquartier in Monheim hat, bereits 2013 ein umfangreiches Instrumentarium für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Pflege geschaffen. „Uns war bewusst, dass gerade die Pflege einen breiten Rahmen braucht, weil jeder Fall anders liegt“, sagt Jürgen Simon, der zuständige Experte aus dem Bereich HR Deutschland der Bayer AG. Es stehe jedem Mitarbeiter frei, wie offen er über das Thema reden wolle.
Der Konzern finanziere eine anonyme Pflegeberatung durch seinen Kooperationspartner famPlus. Seit 2013 können sich Mitarbeiter zudem im akuten Pflegenotfall für bis zu zehn Tage bezahlt von der Arbeit freistellen lassen. Außerdem haben sie über die gesetzlichen Regelungen hinaus die Möglichkeit, ihr Arbeitsverhältnis bis zu zwölf Monate ruhen zu lassen. „Dies wird allerdings von den Beschäftigten nur wenig genutzt. Unsere Mitarbeiter pflegen eher in Teilzeit und nehmen dafür die Möglichkeit in Anspruch, ihre Arbeitszeit auf bis zu 15 Stunden pro Woche zu reduzieren“, sagt Simon. Die Teilzeitregelung biete den Vorteil, dass dadurch die Beschäftigungsfähigkeit und das Know-how der Mitarbeiter erhalten bleibe. Um den finanziellen Verlust zu kompensieren, können sich die Mitarbeiter in dieser Zeit einen Gehaltsvorschuss auszahlen lassen. Dieser wird in der Nachpflegephase zurückgezahlt. Zeitlich ist das Model auf drei Jahre begrenzt. „Es ist uns wichtig, den Mitarbeitern in schwierigen Lebensphasen Zeit für wichtige private Dinge zu geben“, so Simon.