Auerochsen in der Kinderstube
Im Dezember 2016 kam Stier Albrecht ins Neandertal. Hier hat er in nur wenigen Monaten eine Großfamilie gegründet.
Mettmann. Sechs Kälber in neun Tagen? Da hat sich der gute Albrecht aber ordentlich ins Zeug gelegt! Auch für einen potenten Stier ist das eine ordentliche Leistung.
Der Hegemeister hat derzeit gemeinsam mit Kollegin Sara Kajak alle Hände voll zutun, um den Laden am Laufen zu halten. Obwohl, eigentlich läuft dort vieles auch von ganz allein, ohne dass irgendwer eingreifen muss. Bei der Geburt mögen es die Kühe am liebsten ungestört. Auch die Zwillingsgeburt von Nienor und Ninielle klappte vor ein paar Tagen ohne Probleme. „Manchmal stiefeln wir dann stundenlang durch die Wiesen, um die Jungtiere zu finden“, erzählt Markus Schink. Er ist zwar „per Du“ mit der Auerochsenherde, aber alles darf er dann wohl doch nicht wissen. „Wenn die Kühe merken, dass wir ihre Kälber suchen, gehen sie dort erst recht nicht hin“, weiß er.
Was Hegemeisterin Sara Kajak dann noch erzählt, lässt einen schon stutzig werden. Und wenn er es könnte, hätte Albrecht wohl längst sein Veto eingelegt.
Schließlich hat der kräftige Kerl einen Ruf zu verlieren und deshalb sollte möglichst niemand wissen, dass die Damen bestimmen, wo´s lang geht. Oder besser Nikole, die sich ihren Platz als Leitkuh mühsam erkämpft hat. Wenn sie links geht, hat Albrecht hinterher zu laufen. Und auch wenn rechts angesagt ist, kann er sich die Widerworte sparen. „Er läuft außerhalb der Rangordnung unter den Kühen mit“, weiß Sara Kajak. Ein Mitläufer ist er also, der gute Albrecht. Aber augenscheinlich einer, dessen väterliche Qualitäten hoch gelobt werden. Denn seine wilde Rasselbande behält er immer im Blick. Und ja, wenn sie in Gefahr wäre, würde er wohl auch seine Hörner in Stellung bringen.
Ansonsten jedoch ist Albrecht ein eher ruhiger Vertreter seiner Zunft. Da wird am Futtertrog nur ganz vorsichtig gedrängelt. Dort wissen ohnehin alle, wo sie hingehören. „Wenn der eigene Trog leer ist, wird dann schon mal geschaut, wem man noch was abjagen kann“, berichtet Sara Kajak von den morgendlichen Tischgewohnheiten. Übrigens: In einem Jahr heißt es für die gerade geborenen Herbstkälber schon wieder Abschiednehmen vom Wildgehege. Die Mädels ziehen dann erstmal auf die Wiesen am Naturschutzzentrum Bruchhausen, um den lüsternen Albrecht von seinen Töchtern fernzuhalten. Und die Jungs landen beim Metzger. Das klingt unromantisch und gehört dennoch zu den natürlichen Abläufen im Wildgehege. So wie der Umzug der alten Kühe in die Seniorenresidenz in Bruchhausen. Dort trottet mit Nuschi (22) die älteste Auerochsenkuh über die Wiese — umgeben von ein paar Jungspunden, die sie ordentlich auf Trab halten.