Ein halbes Jahr auf Hilfe warten

Ein Gespräch beim Psychotherapeuten zu ergattern, dauert für viele Hilfesuchende im Kreis zu lange.

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Kreis Mettmann. Sechs Monate Wartezeit auf einen Therapieplatz? Das ist im Kreis Mettmann längst keine Seltenheit, sondern eher die Regel. Für die Betroffenen bedeutet das, über Wochen und Monate hinweg mit ihrem psychischen Leid allein dazustehen.

Dabei gibt es eigentlich einen Versorgungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung und damit die Verpflichtung, therapeutische Hilfe zeitnah anbieten zu können. Aus diesem Grund ist es bei den Krankenlassen längst übliche Praxis, neben den kassenärztlich zugelassenen Therapeuten auch jede in die Versorgung einzubeziehen, die zwar eine adäquate Ausbildung und Qualifikation, aber keine Kassenzulassung haben.

„Es muss in diesen Fällen nachgewiesen werden, dass man zeitnah keinen zugelassenen Therapeuten gefunden hat“, so der AOK-Regionaldirektor für den Kreis Mettmann, Ralf Toepelt.

Im Klartext heißt das: Wer an Depressionen oder Angststörungen leidet und eine Therapie braucht, muss einige der niedergelassenen Kassentherapeuten abtelefonieren und deren Wartezeiten in Erfahrung bringen. Häufig stellt man dabei fest, dass die Wartelisten lang sind und man mindestens sechs Monate auf einen Therapieplatz warten muss. Dann telefoniert man wiederum, um diesmal die Therapeuten ohne Kassenzulassung anzusprechen. Klappt es dort mit einem Therapieplatz, kann man sich bei der Krankenkasse um die Kostenübernahme bemühen.

Meistens klappt das auch, wie AOK-Regionaldirektor Ralf Toepelt bestätigt: „Es gefällt uns zwar im Grunde nicht, weil das Antragsverfahren sehr viel aufwändiger ist. Aber es gibt eben den Versorgungsauftrag, dem wir auf diesem Weg nachzukommen versuchen.“ Nachvollziehbar ist diese Praxis auch vor dem Hintergrund, dass die Krankenkassen beim Krankengeldbezug recht schnell auf die Mitwirkungspflicht verweisen.

Meist dauert es nur wenige Wochen, bis Betroffene Post mit der Aufforderung bekommen, sich beim medizinischen Dienst der Krankenkasse zu melden, eine Reha-Maßnahme anzutreten oder sich ambulant behandeln zu lassen. Eine solche Forderung jedoch läuft ins Leere, wenn kein Therapieplatz angeboten werden kann. Deshalb geht man zumindest bei der AOK bereits andere Wege: „Wir führen Gespräche mit den Betroffenen und raten auch schon mal zu einer Gruppentherapie oder zu Behandlungsalternativen, die sich kurzfristig realisieren lassen. Eine therapeutische Einzelbehandlung ist nicht immer das Maß aller Dinge“, so der AOK-Regionaldirektor.

Bei den Krankenkassen beklagt man, dass es durch Nichtfachärzte zu langen Krankschreibungen komme, die das Krankheitsbild verschlimmern. In die Debatte um die psychotherapeutische Versorgung im Kreis Mettmann hat sich der Ratinger Landtagsabgeordnete Wilhelm Droste (CDU) eingeschaltet. Seine Anfrage an die Landesregierung hatte ergeben, dass der Versorgungsgrad im Kreis Mettmann derzeit bei 131 Prozent liege.

Nach Rechnung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein ist die kassenärztliche psychotherapeutische Versorgung mehr als ausreichend. „Aufgrund der errechneten Überversorgung ist der Kreis Mettmann für weitere Zulassungen von Therapeuten gesperrt“, so Wilhelm Droste.