Hebammenprotest im Kreis Mettmann Den Hebammen reicht es!
Kreis Mettmann · Vom 5. bis zum 12. Mai protestieren Hebammen erstmals bundesweit. Denn viele sind von der Existenz bedroht, immer mehr hängen den Job an den Nagel. Warum, erklären zwei Hebammen aus dem Kreis.
Streiken, das ist keine Option für die Hebammen. Denn ihre Schwangeren können und wollen sie nicht im Stich lassen. Doch den Hebammen reicht es – und zwar bundesweit. Denn die Arbeitsbedingungen sind in den vergangenen Jahren immer schlechter geworden, eine Anhebung von Vergütungen gab es nicht, die Tarifverhandlungen der Hebammenverbände mit den Krankenkassen stocken seit Jahren. Deshalb organisieren sich Hebammen zum ersten Mal bundesweit, um eine gesamte Protestwoche zu organisieren.
Denn egal ob freiberuflich oder fest angestellt: Hebammen sind unterbezahlt. Oftmals verdienen sie nicht einmal Mindestlohn. Viele geben ihren Job deshalb auf. Das führt dazu, dass Hebammen sowohl im Kreißsaal als auch bei der Betreuung von Schwangeren vor und nach der Geburt fehlen. Gerade viele freiberufliche Hebammen sind am Ende, weil die Finanzierung nicht ausreichend ist. Großer Kostenfaktor ist die nötige Haftpflichtversicherung. Sie zahlen dafür allein monatlich bis zu 1100 Euro. Hinzu kommen Fahrtkosten, weitere Versicherungen und Co., die ebenfalls gestiegen sind.
Auf der anderen Seite ist die Vergütung seit sieben Jahren nicht gestiegen. Beim Wochenbettbesuch bleiben netto etwa 15 Euro übrig. Für den Rückbildungskurs können Hebammen nur rund 8 Euro die Stunde abrechnen, wovon etwa 2 Euro bleiben. Fehlt die Frau aber drei von zehn Malen, erkennt das die Krankenkasse nicht an, erklärt Bettina Trempelmann. Die Hebamme aus Ratingen übt den Beruf seit 25 Jahren aus. Wenn es bei den Tarifverhandlungen nicht bald eine gute Einigung gibt, gehört die 54-Jährige im nächsten Jahr vielleicht zu jenen Hebammen, die aufgeben, betont sie.
Ähnlich geht es Kim Reininghaus aus Erkrath. Die 42-Jährige ist seit zwölf Jahren Hebamme. Die Hochdahlerin versorgt Schwangere in Erkrath, aber auch in Mettmann, Hilden, Haan und sogar zum Teil in Düsseldorf und Solingen. Genug Zeit für alle Frauen hat sie kaum, vor allem nicht, wenn sie wirtschaftlich arbeiten möchte. Oft zahlt sie noch drauf, wenn sie sich zum Beispiel bei der Wochenbett-Betreuung oder Stillberatung die Zeit nimmt, die Frauen und Babys brauchen.
Die beiden Hebammen haben nicht nur freiberuflich gearbeitet, sondern auch im Kreißsaal, kennen also auch die Zustände dort. Viel zu oft betreuen Hebammen in ihrem Dienst drei Frauen oder mehr. Viel zu viel, um eine vernünftige Versorgung zu leisten – erst recht, wenn eine Geburt nicht ohne Komplikationen verläuft.
Trempelmann und Reininghaus wissen auch, sie leisten präventive Arbeit, verhindern Schlimmeres. „Eine Frau hat sich zum Beispiel beim mir um 21 Uhr gemeldet und ich wusste sofort anhand der Symptombeschreibung, dass sie sofort ins Krankenhaus muss“, nennt Trempelmann ein Beispiel. Die Frau hatte eine seltene Form der Schwangerschaftsvergiftung. Weil die Hebamme ansprechbar war und die Situation richtig einschätzen konnte, sind Kind und Mutter wohlauf.
Die Hebammen hoffen
auf breite Unterstützung
Was, wenn das wegbräche? Schon jetzt finden nur bis zu 80 Prozent der Frauen eine Hebamme, weil so viele aufgehört haben. „Wir haben einfach keine Lobby“, sagt Reininghaus. Deshalb stehen die Hebammen nun erstmals zusammen für sich ein und hoffen auf eine breite Unterstützung aus der Bevölkerung während der Protestwoche vom 5. bis 12. Mai. „Es braucht ein großes Aufbäumen“, ist sie sicher. Zum einen, damit Gesellschaft und Politik auf die Umstände aufmerksam werden, und zu anderen, damit sich die Situation verbessert.
Der Protest wird sich insbesondere auf den Sozialen Medien abspielen, aber auch vor Ort soll es Aktionen geben. Auf den Sozialen Medien sowie der eigenen Homepage wird es Videos von Unterstützern und Schwangeren geben, auch Podcasts sind geplant. Solidarisch können sich die Menschen auch zeigen, indem sie ihr Profilbild mit einem entsprechenden „Viral Post“ zum Protest, also einer Art Rahmen, versehen.
Aus finanziellen Gründen würden inzwischen viele Hebammen bestimmte Leistungen nicht mehr anbieten, erklären Reininghaus und Trempelmann. Diese Lücke schließen dann Drittanbieter, die aber, anders als Hebammen, kein Qualitätsmanagement betreiben müssen und ihre Preise frei gestalten. Die Frauen müssen dann die Kurse, etwa zur Vorbereitung oder zur Rückbildung, selber zahlen, obwohl er bei Hebammen von den Krankenkassen übernommen werden würde. Die Folge: Nicht jede Familie kann sich das leisten. „Würden wir vernünftig bezahlt, hätten wir mehr Zeit, beispielsweise für die Stillberatung. Dann würde jede Frau versorgt“, erklärt Reininghaus. Das System aktuell höhle die Solidaritätsgemeinschaft aus, ist sie überzeugt.
Deshalb kämpfen die Hebammen nun mit der Protestwoche für bessere Bedingung, fordern einen Schutz des Berufsbildes vor Drittanbietern, einen vernünftigen Betreuungsschlüssel im Kreißsaal, eine Deckelung der Haftpflichtversicherung und vor allem eine Versorgungssicherheit für die Schwangeren und Familien. „Es geht nicht darum, reich zu werden. Sondern lediglich, die eigene Existenz zu sichern“, betonen die beiden Frauen.