Wohnungslosenhilfe der Caritas „Wer zu uns kommt, ist am Ende“

Mettmann. · Die Wohnungslosenhilfe der Caritas ist in Corona-Zeiten besonders gefordert. Die Mitarbeiter beraten weiterhin und müssen dabei auf die Einhaltung der Distanzregeln achten – damit stoßen sie nicht immer auf Verständnis.

Bei der Wohnungslosenhilfe der Caritas wurde um Lösungen gerungen, um den Laden in Corona-Zeiten irgendwie am Laufen zu halten. Anfangs mit einem „Gabenzaun“ an der Lambertus-Kirche, um die Schließung der Tafeln aufzufangen.

Foto: Caritas Mettmann

Dass die Türen offen sind und dennoch jeder anklopfen muss? Dass man mit Menschen in Not nur durch Acryl-Glasscheiben hindurch sprechen kann? All das ist der Pandemie geschuldet – und dennoch gerade dort schwer zu ertragen, wo Problemlösungen auch menschliche Nähe ­brauchen.

Seit Monaten kämpfen sich die Mitarbeiter der Caritas-Wohnungslosenhilfe schon durch all das, was die schwierigen Corona-Zeiten mit sich bringen. Die Türe komplett abschließen? „Das war für uns von Beginn an keine Option“, stellt Bereichsleiter Thomas Rasch klar. Keinesfalls habe man diejenigen im sprichwörtlichen Regen stehen lassen, die ohnehin schon kein Dach über dem Kopf haben. Vielerorts wurden während des Lockdowns die Schotten dicht gemacht – notgedrungen, um sich selbst und andere nicht zu gefährden. Derweil wurde bei der Wohnungslosenhilfe um Lösungen gerungen, um den Laden irgendwie am Laufen zu halten. Anfangs mit einem „Gabenzaun“ an der Lambertus-Kirche, um die Schließung der Tafeln aufzufangen. Dabei macht Thomas Rasch keinen Hehl daraus, dass solche Aktionen auch gesellschaftliche Fragen aufwerfen. „Wir wollen keine Almosen verteilen an diejenigen, die mit den Sozialbezügen unmöglich auskommen können und von den Tafeln abhängig werden“, sagt er nicht ohne Kritik an einem Sozialsystem, dass Abhängigkeiten schaffe.

Dass allerdings sei längst nicht das einzige Dilemma, mit dem die Wohnungslosenhilfe derzeit zu kämpfen habe. Die Zahl der Hilfesuchenden sei schon jetzt höher als im Vorjahr und auch höher als in jedem der mehr als 20 vergangenen Jahre, in denen sich die Caritas um von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen bemühe. Darunter waren Haftentlassene, die im Schatten von Covid-19 vorzeitig aus der JVA entlassen worden waren. Und diejenigen, die plötzlich keinen Minijob mehr hatten, um damit ihre Sozialleistungen aufstocken zu können.

Die Türen der Wohnungslosenhilfe
bleiben offen

Eigentlich hätte man längst zusätzliches Personal einstellen und auf die stärkere Einbindung der Kostenträger drängen müssen – schließlich sei es auch deren Aufgabe, die Betroffenen zu unterstützen. Was von dort an finanzieller Unterstützung kommt, ist bei weitem nicht genug, um die personellen Engpässe der Beratungsstelle aufzufangen.

Hinzu kommt, dass Herbst und Winter Jahreszeiten sind, in denen es Menschen ohne Obdach in warme Räume zieht – auch auf der Suche nach zwischenmenschlicher Wärme. Dort müssen Mitarbeiter nun auf die Einhaltung von Distanzregeln achten und gleichzeitig die Beratung gewährleisten. Wer die Szene kennt, der weiß: Leicht ist das nicht bei Menschen, die sich von der Gesellschaft an den Rand gedrängt fühlen und sich teilweise schwer damit tun, soziale Regeln einzuhalten. Dass sie draußen beieinander stehen und im Tagestreff voneinander getrennt werden, um dann auch noch Masken zu tragen? Man kann sich gut vorstellen, welcher Spagat zwischen Kontrolle und Hilfestellung dem Team abverlangt wird. Dazu kommt die Sorge der Mitarbeiter, sich auch selbst mit dem Virus zu infizieren. Und dennoch: Die Türen der Wohnungslosenhilfe bleiben trotz steigender Infektionszahlen offen. Auch deshalb, weil sich die Hilfesuchenden längst im freien Fall befinden. „Die Leute kommen zu uns, wenn sie abgebrannt und am Ende sind“, weiß Klaus Gärtner. Der Leiter der Wohnungslosenhilfe versucht mit seinem Team noch das Letzte aus dem leergefegten Wohnungsmarkt herauszuholen, um dabei oft an Grenzen zu stoßen.

In Mettmann, Erkrath und Haan – wo die Caritas in der Wohnungslosenhilfe aktiv ist – magelt es lange an bezahlbaren Wohnungen. Der soziale Wohnungsbau stagniert seit Jahren, immer mehr Wohnungen fallen aus der Sozialbindung. Leerstehende Wohnungen sanieren und teuer weitervermieten – das sei gängige Praxis bei Wohnungsbaugesellschaften.

Wer meint, dass man jenseits der Großstädte kaum Obdachlose auf den Straßen sieht, dem sei gesagt: Frauen prostituieren sich, um irgendwo unterzukommen. Männer legen für den Platz auf der Couch schon mal Geld auf den Tisch. Und über ihnen allen schwebt das Damoklesschwert, schon am nächsten Tag mittellos auf der Straße zu stehen. Treffen kann es jeden – gerade in Zeiten wie diesen, in denen man über soziale Distanzierung hinweg um mitmenschliche Nähe ringen muss.