Muezzin darf freitags rufen
Nur einmal pro Woche ist der Gebetsruf per Lautsprecher erlaubt. Auch das christliche Glockenläuten muss abgestimmt werden.
Ratingen. Der Ratinger Gerhard Liefländer traute seinen Ohren nicht, als er vor einiger Zeit mittags durch die Innenstadt ging und orientalischen Gesang hörte. Er dachte an eine Theaterprobe und versuchte die Schallquelle zu lokalisieren.
Bis er aufgeklärt wurde: Das ist der Muezzin beim Mittagsgebet. In der Tat: Bei Westwind wird der Ruf zum Freitagsgebet von der Moschee am Westbahnhof deutlich bis in die City getragen und kann sich — je nach Jahreszeit — mit dem Glockengeläut der Innenstadtkirchen mischen.
Liefländer fragte sich: Darf der Muezzin überhaupt den Gebetsruf per Lautsprecher verbreiten? „Er darf“, klärt Ordnungsamtsleiterin Barbara Arndt auf, „aber nur am Freitag zum Mittagsgebet. Das ist die einzige erlaubte Zeit.“
Außerdem gebe es Sonderzeiten im Fastenmonat Ramadan. Darauf habe man sich in Ratingen verständigt, gesetzliche Regelungen seien kompliziert und es gebe auch unterschiedliche Rechtsprechungen, weil sowohl die Bauordnung als auch das Bundesimmissionschutzgesetz beachtet werden müssen.
Uta Bernard, im Ordnungsamt zuständig für Lärmschutz, kennt die Probleme. Allerdings gebe es üblicherweise mehr Regelungsbedarf mit dem Glockenläuten. In Absprache mit den Gemeinden werden festgelegt, wie und wann geläutet werden darf. „Es hängt auch davon ab, wo die Glocken läuten.“
Der an Ostern neu eingeweihte Glockenturm der Friedenskirche in Ratingen Ost dürfte bestimmt einige Beschwerden bringen.
Dabei haben sich die Gemeinden aus Rücksicht auf die Nachbarschaft schon sehr zurückgenommen. Das Morgenläuten und das früher übliche, heute nur in ländlichen Gebieten noch gebräuchliche Stundenläuten gibt es kaum noch, das Mittagsläuten dagegen schon.
Und natürlich darf sonn- und feiertags zu den Gottesdiensten geläutet werden. Bernard: „Das gehört zur Religionsausübung. Wer in Kirchennähe zieht, muss das dulden“, verweist sie auf gängige Praxis.
Mit der islamischen Gemeinde sei die Stadt übereingekommen, dass der Muezzin nur einmal in der Woche per Lautsprecher zum Gebet rufen darf: zum wichtigsten Gebet am Freitagmittag. Im Ramadan gebe es eine Sonderregelung: Erst wenn der Muezzin bei Sonnenuntergang ruft, dürfen Muslime wieder essen und trinken. Bernard: „Sonnenuntergang im Sommer, das kann schon mal 22.30 Uhr werden.“
„Der Muezzinruf ist dann aber erheblich leiser“, weiß Zeliha Yetik, Integrationsbeauftragte der Stadt. Sie ist bei den Absprachen vermittelnd dabei und lobt: „Es gab noch nie Reibereien in Ratingen, auch nicht wegen des Minaretts und der Kuppel.“ Sogar als im vergangenen Jahr der Muezzin aus Versehen am Karfreitag zum Mittagsgebet gerufen hat, habe sich nur ein Anwohner beschwert. „Der Imam hat sich sofort entschuldigt.“
Für das „tolle Verhältnis“ zwischen Stadt, Anwohnern und islamischer Gemeinde werde man im ganzen Umkreis bewundert und beneidet, sagte Yetik. In Duisburg trauten sie sich nicht, den Muezzin rufen zu lassen, obwohl sie die größte Moschee Europas haben. Ein Grund für das einvernehmliche und tolerante Miteinander in Ratingen liege sicher auch an der interreligiösen Dialoggruppe in der Stadt, die sich regelmäßig treffe.