Plötzlich Burgherr Abenteuer in Burg Gräfgenstein

Willich/Ratingen · Die Ritterburg Gräfgenstein in Eggerscheidt wurde viele Jahre zum Verkauf angeboten. Familie Scheulen aus Willich verliebte sich auf den ersten Blick.

Die neuen Herren der Burg Gräfgenstein im Mittelpunkt ihres neuen Zuhauses, dem Esszimmer: Selma, Jakob mit Freundin Christina, Stefanie, Stefan und Mia Scheulen (v.r.).

Foto: Achim Blazy (abz)

. Dass sie einmal Burgherren werden würden, hätten sich Stefan und Stefanie Scheulen nicht träumen lassen. Doch dann ging alles ganz schnell. Scheulen, der in Willich ein Bauunternehmen betreibt, sanierte gerade einen Hof in Ratingen, als er von dessen Inhaber gefragt wurde, ob er nicht eine Burg kaufen wolle. Scheulen nahm das Angebot gar nicht so recht ernst, willigte aber in eine Besichtigung ein. „Eine Stunde lang haben wir uns Gebäude und Gelände angesehen und uns dann tief in die Augen geschaut.“ Die Entscheidung fiel schnell. Innerhalb von wenigen Tagen wechselte die Burg den Besitzer. „Wir waren schockverliebt.“

Damit stand Familie Scheulen zunächst allein auf weiter Flur. Von den Ratingern wurden sie nicht sehr freundlich empfangen, nachdem sie einen Wanderweg gesperrt hatten, der über ihren Hof führte. „Freunde und Bekannte haben uns für verrückt erklärt“, so Stefanie Scheulen. Dabei fürchteten die Eltern eher das Urteil der drei Kinder Mia, Selma und Jakob. Doch die Begeisterung für die einstige Ritterburg war ansteckend. Alle drei Kinder waren Feuer und Flamme, die Familie verkaufte ihr Haus in Willich und bereitete sich auf ein Leben als Burgbesitzer vor. Viereinhalb Monate hatten die Scheulens Zeit, die wichtigsten Sanierungsarbeiten zu erledigen, dann wollten sie einziehen.

Ein ambitioniertes Unterfangen. „Das Haus war ziemlich heruntergekommen“, so die knappe Umschreibung dessen, was die Scheulens erwartete. „Bodendielen war verfault, alle Wände und Decken mussten bearbeitet und verputzt werden, Fußböden waren zum Teil überklebt und mit Beton ausgegossen worden“, so Stefan Scheulen. Er vermutet, dass einer der Vorbesitzer sich bemühte, die Böden zu begradigen, denn: „Nichts in diesem Haus ist gerade.“ Und zu allen Arbeiten musste der Denkmalschutz sein „Okay“ geben.

Scheulens nutzten die Zeit, um das die Burg umgebende Grundstück zu roden – wobei sie einen stattlichen Bestand alter Obstbäume und überwucherte, längst vergessene Fundamente und Mauern entdeckten – und sich Wissen über alte Baustoffe und -techniken anzueignen. „Wir wollen das Haus so authentisch wie möglich wiederherstellen“, sagen sie. Also wurden Decken und Wände mit Stroh unterfüttert und anschließend mit Lehm verputzt. „Der Baustoff Lehm hat mich nachhaltig überzeugt“, sagt Scheulen heute.

Bei den Vorbereitungen zu den Sanierungsarbeiten gab die alte Ritterburg einige Geheimnisse preis. So entdeckte die Familie einen Teil des Originalputzes, der 800 Jahre überdauerte. Dieser wurde sorgsam freigelegt und soll künftig mit einem Rahmen versehen sichtbar bleiben. Außerdem kam hinter einer Mauer der ursprüngliche Haupteingang zum Burgturm zum Vorschein. Auf dem Hof fand die Familie einen ganzen Stapel Natursteine, die längst mit der Natur eins geworden waren. Sie zieren heute den Boden im Esszimmer.

Während ein Kamin im Ritterzimmer noch gut erhalten war und wieder aufgearbeitet werden konnte, war ein weiterer im Eingangsbereich nicht mehr zu retten. Vorbesitzer hatten den Rahmen weggestemmt. Eine ganze Reihe alter Holztüren inklusive Beschläge konnte wiederverwendet werden. Ebenso kamen Holzvertäfelungen, Nischen und Durchgänge zum Vorschein. Jedes einzelne Stück Holz wurde gesandstrahlt und wieder verbaut, nur morsche Balken ersetzte die Familie. „Jedes Jahrhundert ist hier vertreten“, so Stefanie Scheulen. „Was eben möglich ist, wollen wir erhalten. Krumme Treppen und kleine Türen haben wir so gelassen. All das erzählt die Geschichte der Burg und hat einen eigenen Charme.“

Seit Mai wohnt Familie Scheulen jetzt in dem Burgturm. Und fühlt sich bereits heimisch. „Es ist fast so, als würden wir schon seit Jahren hier leben“, sagen sie. Bereut haben sie ihren Kauf nicht. Im Gegenteil. „Es liegt noch viel Arbeit vor uns. Dachstuhl und Dach, sowie Anbauten, müssen noch saniert werden. Aber wir genießen die Ruhe hier, die Natur, die die Burg umgibt. Wir können behaupten: Wir leben die Burg.“