Kinder lernen Selbstverteidigung
Gezielte Tritte und Ellenbogenchecks: In Tiefenbroich lernen Kinder Elite Krav Maga, um sich damit gegen Übergriffe zu wehren. Das beruhigt auch die Eltern der jungen Teilnehmer.
Ratingen. Das Geschrei ist ohrenbetäubend. „Stopp! Lassen Sie mich!“ Luca, Nisa, Vanessa, Fabian und Antonia brüllen zusammen mit einem weiteren Dutzend Kindern nacheinander ihren Sparringspartner Dirk an. Der, geschützt durch Kopf- und Unterleibsschutz, muss allerdings nicht nur die deutlich vernehmbare Attacke auf seine Ohren aushalten. Mit gezielten Tritten und Ellenbogenchecks wissen die Kinder zusätzlich, sich gegen seine Übergriffe zu wehren.
„Ihr müsst das wirkungsvoll durchziehen“, lobt Übungsleiter Haydar Balta seine Schützlinge. Was er trainiert, ist Elite Krav Maga, eine „effektive Selbstverteidigung“, wie Dieter Hamm ergänzt. Ratingens Ex-Feuerwehrchef kann den Kampfsport sehr gut einordnen. Jahrelang übte er sich in Ju Jutsu und Karate. „Sportarten, die nach Fairnessregeln ausgeübt werden. Krav Maga ist reine Selbstverteidigung ohne Regeln“, sagt Hamm. Diese Bewegungen sind gezielte Waffen für den Notfall, Methoden, sich vor Übergriffen und sexueller Belästigung wirksam zu schützen.
Der Diskurs über Gewalt gegen Kinder wird zunehmend geführt. „Und verkommt zur Hetzjagd gegen Flüchtlinge und Einwanderer. Das ist falsch und hat bei uns keinen Platz“, erklärt Hamm. Man könne den Menschen immer nur bis zur Stirn schauen — welche bösen Absichten dahinter stecken, weiß keiner. „Deshalb ist es wichtig, sich wirksam verteidigen zu können“, erklärt Hamm.
Seine beiden Enkelkinder Maja (8) und Felix (10) sind mit im Krav-Maga-Kurs. „Maja“, berichtet der Großvater, „ist früher Konflikten aus dem Weg gegangen. Jetzt stellt sie sich schützend vor andere Kinder.“ Platz für Schläger und Rowdys ist bei Elite Krav Maga aber nicht. „Wer hier bloß ist, um andere zu vermöbeln, fliegt raus“, sagt Hamm.
Jede Übungseinheit beginnt nach dem Warmmachen mit der Wiederholung der Grundtechniken, bei denen gezielte Tritte und Schläge auf Punkte des gegnerischen Körpers trainiert werden, die schmerzhaft sind und den Kindern einen Vorsprung verschaffen, weglaufen zu können. „Ihr müsst das verinnerlichen“, sagt Haydar Balta, Ratinger mit türkischen Wurzeln, mit ruhigem Ton. „Nur dann könnt ihr die Bewegungen im Notfall platzieren.“
Frances (10) zeigt, was sie kann. Jeder Tritt sitzt. „Das Training ist toll“, sagt sie, „ich lerne sehr viel.“ Seit fünfeinhalb Jahren übt sie sich in Kampfsport, „aber so gut wie Krav Maga sind die anderen Sachen nicht“. Ihre Mutter fühlt sich „beruhigter und sicherer, dass Frances sich wehren kann“. Zumal, wie Dieter Hamm und Haydar Balta betonen, Selbstverteidigung im Kopf beginnt. „Deshalb zeigen wir auch, wie die Teilnehmer mit ihrer Körperhaltung Stärke ausstrahlen können.“ Vertrauen auf das eigene Gefühl und die aufmerksame Wahrnehmung der Umwelt seien die wichtigsten Schritte, um gefährliche Situationen zu erkennen und bannen zu können.
„Fremde duzt ihr grundsätzlich nicht“, bläut der Trainer seinen Schützlingen weitere Verhaltensregeln ein. Sonst könnten vorbeilaufende Passenten denken, Kind und Erwachsener seien miteinander bekannt. „Ich muss eine Lösung haben, egal was kommt“, sagt Balta.