Paten wollen die Lust am Lesen wecken
Ulrike Franke und Dieter Gerigk haben einen Draht zu Kindern und zu Büchern. Sie suchen spannende Geschichten aus, helfen beim Lesen lernen und vermitteln Wissen.
Ratingen. „Immer wieder würde ich mich darauf einlassen!“, beantwortet Ulrike Franke im Brustton der Überzeugung die Frage nach ihrem Dasein als Vorlesepatin. „Ich liebe es“, sagt die Frühpensionärin über die Aufgabe, die ihr eine Herzensangelegenheit ist und die sie seit 2009 wahrnimmt. Diese Einstellung teilt sie mit Dieter Gerigk, ebenfalls im Team der stadtbüchereieigenen Vorleser und seit 2012 mit von der Partie. „Ich konnte schon immer gut mit Kindern“, erinnert sich der vormalige Bürovorsteher eines Notariats (61) über den Umgang mit dem Nachwuchs von Verwandten und Bekannten. „Für sie dachte ich mir oft Geschichten aus“, mal gegen Zahnweh, mal zur Bespaßung. „Man muss schon einen Draht zu Kindern haben“, bestätigt Kollegin Ulrike Franke (68) eine Grundvoraussetzung. Über Zeitungsannoncen fanden beide in den Vorlesekreis.
Alle sechs Monate sitzen die beiden, weitere Kollegen und Bücherei-Chefin Erika Münster-Schröer zusammen, überlegen sich adäquate Vortragsthemen, setzen Schwerpunkte und tauschen sich über Erfahrungen rund um ihre demnächst-hoffentlich-selbst-Lese aus. Die Bücherei setzt damit ihr Konzept zum Lernzentrum systematisch um. Denn letztlich geht es neben aller Bespaßung darum, bei allen Kindern das Interesse am geschriebenen Wort zu wecken und speziell bei Flüchtlingen auf diverse Angebote zum Deutschlernen aufmerksam zu machen. Bibliotheken sind ja längst nicht bloß Ausleihort verschiedener Medien, sondern rücken viel stärker als Räume des Aufenthalts und der Begegnung in den Fokus.
Ein bisschen ersetzen die Frühpensionäre ihren jungen Zuhörern die Vorlesegroßeltern. In Zeiten von Patchwork-Familien oder kilometerweiter Entfernungen zu- und voneinander sind Vorlesepaten eine willkommene Alternative zur fehlenden eigenen Vorlesern.
Ulrike Franke, Lesepatin
Aber das Vorlesekonzept brauchte seine Anlaufzeit, anfangs lasen die Paten manchmal vor fast leeren Reihen. „Das hat sich ganz toll entwickelt“, resümieren beide. Fingerspitzengefühl braucht es, um das Interesse der Kinder lebendig zu halten. „Grundsätzlich gibt es bei mir einen Selbsttest“, sagt Ulrike Franke. „Nur was mir gefällt, lese ich vor.“ Altersgruppenspezifisch erfolgt die Auswahl, „die Kleinen sollen sich gut unterhalten“. Lässt die Konzentration nach, findet die Vorleserin über Fragen-Antwort-Spiele zurück zum Text. „Aber streng bin ich nie, das können Erzieherinnen und Lehrer sein.“ Dieter Gerigk, der bevorzugt Geschichten über Piraten, Monster und Tiere vorträgt, „Prinzessinen-Bücher kauft mir keiner ab“, macht auch „gerne mal Blödsinn“ - und greift in die Trickkiste.
„Passend zu bestimmten Gelegenheiten bin ich schon mal im Kostüm“, einen unvorhergesehenen dicken Lacher erntete er zuletzt als Nikolaus, dem die Hosennaht am Po riss. „Ich mache viel Praktisches, um die Geschichten näher zu bringen“, erklärt er einen Aspekt der Vermittlung. Warum der Radiergummi, der doch so viel Bleistiftbuchstaben frisst, immer dümmer wird, wird dann ebenso erklärt, wie er entsprechende Obstsorten dabei hat, wenn es in einer seiner Erzählungen quer durch den Garten geht. „Ich mag es, wenn Kinder gut beschäftigt sind“, fröhliches Gegluckse über seine Fantasiegeschichten a la „Ein Esel ist ein Zebra ohne Streifen“ sind „die schönste Resonanz“, und „immer Motivation, weiter zu machen“.