Präzisionsfliegen: Abflug zur Himmels-Rallye
Marcus Ciesielski ist einer der erfolgreichsten Präzisionspiloten Deutschlands.
Ratingen. Auf festem Boden scheint sich Marcus Ciesielski offenbar nicht wohlzufühlen. So oft er kann, hebt der 50-Jährige ab: Im Alltag verdient er als Berufspilot bei Airberlin seine Brötchen, aber auch in seiner Freizeit hat er am liebsten den Steuerknüppel in den Händen: Ciesielski zählt zu den erfolgreichsten Präzisions- und Rallye-Piloten Deutschlands.
Dann wechselt der Ratinger vom großen Airbus auf eine kleine und wendige Cessna 172. Rund 20 000 Flugstunden hat der leidenschaftliche Luftikus damit schon absolviert.
Neben dieser Erfahrung bringt Ciesielski aber auch jede Menge Talent mit, wie ihm seine Teamkollegen von der deutschen Nationalmannschaft bescheinigen. Mit der war er jüngst bei den Weltmeisterschaften in der Oberlausitz, wo er gegen eine schier übermächtige Konkurrenz Platz fünf erfliegen konnte. „Normalerweise machen Polen, Tschechen und Russen alle einstelligen Positionen unter sich aus“, sagt Ehefrau Astrid Ciesielski, die dem Rallyefliegen ebenfalls völlig verfallen ist.
„Präzisionsflüge macht mein Mann allein, die Rallyeflüge machen wir im Team“, sagt die 52-Jährige, die nebenbei auch Teamchefin der deutschen Nationalmannschaft ist. Darin sind die beiden Ratinger eine feste Größe. Im vergangenen Jahr haben sie sich in ihrer Königsdisziplin unangefochten die Deutsche Meisterschaft gesichert.
Was ist nun der Unterschied zwischen Präzisions- und Rallyeflug? „Das ist ähnlich wie bei Oldtimer-Rallyes“, erklärt Ciesielski. „Es geht weniger um Schnelligkeit, sondern darum, eine vorgegebene Strecke sekundengenau abzufliegen und dabei noch Aufgaben abzuarbeiten. Besonders kniffelig sei das Timing. Mal kurz in der Luft anhalten geht bekanntlich nicht so einfach. Also ist mal die hohe Kunst des Langsamfluges, mal die des des Schnellfluges gefragt.
Eine Herausforderung ist auch jedes Mal die himmlische Schnitzeljagd. Astrid Ciesielski: „Wir bekommen vor dem Start einen Umschlag mit 20 Luftbildern, deren Standorte wir unterwegs wiedererkennen und exakt in eine Karte eintragen müssen.“ Bei diesen Geländemarken handelt es sich keineswegs um bekannte Gebäude („kein Kölner Dom“) oder auffällige Naturformationen, sondern eher um 08/15-Anblicke: Waldränder, Kreuzungen, Gebüschgruppen. Um die überhaupt auf den Fotos wiederzuerkennen, wird nur in 1000 bis 2000 Fuß Höhe (etwa 300 bis 700 Meter) geflogen.
Beim Präzisionsflug muss der Pilot nur zehn Bilder identifizieren — dafür sitzt er dabei auch alleine im Cockpit. Die heikelste Sache beim Präzisionsfliegen ist allerdings das Landen, das zum Fliegen nun mal dazugehört. Das Reglement schreibt vor, auf den Meter genau an einer markierten Stelle auf der Landebahn aufzusetzen.
Astrid Ciesielski: „Der erlaubte Bereich bei der Ziellandung ist drei Meter lang. Wer davor oder dahinter aufsetzt, bekommt Punktabzug.“ Sie selbst hat keinen Flugschein, aber das Funksprechzeugnis. „Im Notfall würde ich die Cessna auch runter bekommen — so oft wie ich schon daneben gesessen habe.“
Ihr Mann war leider nicht zu sprechen — er war irgendwo hoch am Himmel unterwegs.