Bahnhofsumbau wird zur Abenteuerreise
Moritz Iseke kann beim Bahnhofsumbau nichts mehr erschrecken. Weder Schimmel noch Pistolen.
Wülfrath. Es sollte ein ganz großer Wurf werden. Bloß nicht so spärliche Bahnhofsbehausungen wie in den Nachbarorten. Nun ja, die gehörten zwar zu Mettmann und Wuppertal. Was den Architekten und Baumeister Eberhard Wulff keineswegs davon abhielt, vor beinahe 150 Jahren inmitten von Wiesen und Feldern eines seiner Meisterstücke abzuliefern. Pompös, verspielt und eingehüllt in wunderbar gelbe Klinkersteine: So wurde der große Bahnhof im eher beschaulichen Hahnenfurth eröffnet.
Als dort im Jahre 1879 die ersten Züge einrollten, herrschte am Fahrkartenschalter reges Treiben. Endlich konnte man auch mit der Dampflok ins nahe gelegene „Haus Stöcker“ anreisen, dass nur Monate zuvor seine Türen geöffnet hatte. Die Gäste kamen in Scharen — zum Tanzen, zum Plaudern und um im pompösen Park rings um Bahnhof und Gaststätte ein paar gemütliche Runden zu drehen. All das hätte es nun beinahe wieder gegeben. Nur eben nicht so, wie man es sich gerne vorstellt. Die Besucher wären wohl möglichst unerkannt im Etablissement verschwunden. Aus dem „Bahnhof „Dornap-Hahnenfurth“ wäre eine rot ausgeleuchtete „Pension Hahnenfurth“ geworden. Die Sache war ernst: es gab zwei Interessenten mit Bordell-Phantasien, die sich ein „Lotterleben“ mit Bahnhofsambiente gut vorstellen konnten.
Dass es so nicht kommen sollte, verdanken die Hahnenfurther nun erneut einem Visionär. Denn anders kann man das Bauvorhaben von Moritz Iseke wohl kaum bezeichnen. Nach mehr als drei Jahren hat sich der Umbau zu einem Mammutprojekt entwickelt.
Überraschungen bleiben bei einem solchen Projekt selten aus. Hinter dem alten Gemäuer verbergen sich schließlich mehr als 100 Jahre Geschichte. Dass inmitten des Mauerwerks eine russische Pistole gefunden wurde, ist daher nicht wirklich verwunderlich. „Wir mussten allerdings untersuchen lassen, ob damit womöglich ein Verbrechen verübt wurde“, erinnert sich Moritz Iseke.
Andere Entdeckungen dürften da schon eher für schlaflose Nächte gesorgt haben. So war schnell klar, dass der Keller nur mit Schutzanzügen betreten werden konnte. „Wir hatten dort alles, was die Baubiologie an Schimmel kennt“, plaudert Moritz Iseke aus dem „Nähkästchen“ eines Bauherrn, den beinahe nichts mehr schrecken kann. Nun gut, die Außenwand musste auch noch freigelegt und stabilisiert werden. Und dass er sich für die passenden Klinkersteine durch halb Europa telefoniert hat — was macht das schon aus. „Wir haben die Steine schließlich aus Polen geholt“, berichtet Iseke.
Im Grunde glich der Bahnhof einer zivilisatorischen Diaspora — ausgestattet mit einer qualmenden Ofenheizung und ohne Anschluss an die Kanalisation. „Allein in die Anschlüsse für Gas und Wasser haben wir 100 000 Euro investiert“, spricht der Eigentümer über die finanziellen Dimensionen.
Zuvor hatte er der Deutschen Bahn schon eine sechsstellige Summe für die Immobilie auf den Tisch gelegt. Von den Investitionen in den modernen Umbau und den Bau eines Blockheizkraftwerks ganz zu schweigen. „Wir produzieren den Strom quasi selbst“, erklärt Moritz Iseke.
Nach drei Jahren Bauzeit wird nun voraussichtlich bis zum Jahresende schon mal eine Weinhandlung eingezogen sein. Bis dahin ist auch die große Hauptwohnung bezugsfertig. Drei weitere Wohnungen sollen im kommenden Jahr vermietet werden. Sorgen um ratternde Regiobahn-Züge müssen sich potentielle Bewohner übrigens nicht machen: Die neue Strecke zweigt vor dem Bahnhof ab, der Haltepunkt „Hahnenfurth-Düssel“ wird an einen anderen Standort verlegt.