Clement lebt jetzt bei Familie Voss
Der Flüchtling aus Ghana findet bei Elke Voss und ihrer Familie ein neues Zuhause — bis dahin war es ein weiter Weg.
Wülfrath. Es ist oft ein Totschlagsargument: Wenn das jeder machen würde. . . „Ja, warum macht das nicht jeder?“, fragt Elke Voss. Die Düsselerin hat es gemacht und erntete sehr schnell Skepsis und Misstrauen bei den Behörden. Elke Voss hat mit ihrer Familie einen 19-jährigen Ghanaer aus der Notunterkunft in Wuppertal-Vohwinkel zu sich nach Hause geholt, um dem jungen Afrikaner ein Zuhause zu geben. Mehr noch: Sie möchte Clement Opoku Appiah helfen, damit er die Chancen eines beruflichen Anfangs in Deutschland nutzen kann.
Die wird er brauchen, denn in seiner Heimatstadt Kumasi in dem westafrikanischen Land hatte er keine Chance aufs Überleben. Die Eltern gestorben, musste sich sein 22-jähriger Bruder vor drei Jahren um den damals 16-jährigen Clement und seine beiden 15 und zehn Jahre alten Geschwister kümmern.
Kümmern heißt, die Kinder nicht verleihen zu müssen an reiche Haushalte, „in denen sie alles mit ihnen machen“, sagt Voss. „Er hatte keine andere Chance“, sagt sie. Opoku flüchtete zweieinhalb Jahre durch die Wüste über das Mittelmeer, schlug sich bis Bulgarien durch, wo er registriert wurde — und sofort ins Gefängnis geworfen wurde. Schließlich gelangte er nach Deutschland, nach Wuppertal.
Vor drei Monaten lernte Voss, die in der Freien evangelischen Gemeinde in Vohwinkel engagiert ist, den jungen Mann kennen. Beim Sprachunterricht in der Gemeinde kamen sie und ihre Familie in Kontakt mit Opoku. „Das ist ja noch ein Kind, das schon so viel Schreckliches miterlebt hat“, stellte sie schnell fest.
Schon nach zwei Wochen luden Elke, ihr Mann Thomas und Tochter Melissa den jungen Afrikaner zu sich ein. „Er blühte auf. Er hatte plötzlich ein eigenes abschließbares Zimmer, konnte wieder ruhig schlafen“, sagt sie. „Ich fand endlich Ruhe“, erzählt Opoku. Oft holten sie ihn morgens zu sich nach Hause ab, abends musste er wieder zurück in die Notunterkunft. Vor vier Wochen holte Familie Voss den 19-Jährigen im Morgengrauen ganz zu sich nach Hause. Er lebte sich schnell ein, der Kontakt zu einer Maler- und Lackiererfirma führte schließlich zu einem unterschriftsreifen Ausbildungsvertrag. „Wir wollten uns um einen Menschen kümmern, ihm die Integration erleichtern“, sagt Voss. Mit Tochter Melissa spielt er gerne das Brettspiel Carroms. „Ich habe jetzt einen großen Bruder“, erzählte sie.
Für die Bezirksregierung ging das mit der Integration, der Ausbildungsvermittlung, dem Kümmern überhaupt, viel zu schnell und war zu erfolgreich. Die Behörde legte ihr Veto ein und veranlasste vergangene Woche Mittwoch, dass Opoku sofort wieder zurück in die Notunterkunft nach Vohwinkel muss. Der Grund: Er sei kein anerkannter Asylbewerber. „Da kann ja jeder kommen“, ergänzt Elke Voss in einer Mischung aus Lächeln und Ironie. In dieser Woche die Wende: Die Bezirksregierung sah ein, dass Opoku keine Kosten verursacht, Azubi werden will und Familie Voss für alle Kosten aufkommen werde. Die Akte Voss/Opoku läuft jetzt unter der Behördenbezeichnung „Familienzusammenführung“.
Seit Mittwoch lebt der Ghanaer wieder im beschaulichen Düssel. Die Ausbildung wird Opoku starten, Familie Voss kümmert sich jetzt darum, dass er nach einem möglichen negativen Asylbewerberbescheid zumindest so lange in Deutschland „geduldet“ wird, dass er im schlechtesten Fall mit einer Ausbildung in seine Heimat zurückkehren könnte. Das hat er seinen Geschwistern in Ghana per Mail schon geschrieben. Es ist die derzeit einzige Möglichkeit, den Kontakt zu seiner „Ur-Familie“ zu halten. Selbst wenn alle Stricke reißen, will Voss dem Afrikaner alle Möglichkeiten mitgeben. Wofür? „Ich möchte später ein starker Mann sein, der auch anderen hilft“, sagt er.