Der Dezernent für alle Fälle
Im Mai verlässt Holger Richter nach 16 Jahren die Stadt. Er zog in unzähligen Bereichen die Fäden.
Velbert. Auch nach 15 Jahren als Beigeordneter der Stadt Velbert hat man noch nicht alles erlebt. Das musste Dezernent Holger Richter, der im Mai sein Amt abgeben wird, im Sommer des vergangenen Jahres feststellen. Kämmerer und Bürgermeister waren im Urlaub, der heute 57-Jährige hatte gerade bei der Stadt „den Hut auf“ und vertrat das Stadtoberhaupt. Genau in dieser Phase überraschte seine Frau ihn am Abend mit einer Verfügung der Bezirksregierung. Busse mit Flüchtlingen kommen. 150 Menschen. Morgen Abend. „Damit macht man keine Witze“, sagte Richter seiner Frau. Doch ein Scherz war das nicht.
Am Abend des nächsten Tages sollte die Notunterkunft stehen. „Die Eindrücke als die ersten Busse kamen. Solche Dinge vergisst man nicht“, berichtet der Beigeordnete. Als die Flüchtlingsbusse als erste Stadt im Kreis Mettmann Velbert erreichten, reihten sich in der Sporthalle am Waldschlößchen die Feldbetten aneinander. „Daran hat man gesehen, wie gut Verwaltung auch funktionieren kann“, sagt Richter.
Seine früheren Herausforderungen hatten mehr Zeit in der Umsetzung. Stolz blickt Richter auf die Großprojekte zurück, die unter seiner Federführung realisiert wurden. Etwa die Planung des Sportzentrums, der Bau der Martin-Luther-King-Schule und die Errichtung der städtischen Kita an der Adalbert-Stifter-Straße.
Holger Richters Weg als Beigeordneter begann 2001 bei einer völlig anders strukturierten Verwaltung. Damals war er der vierte Beigeordnete und zuständig für Jugend und Soziales. „Das ist mein eigentliches Steckenpferd“, sagt Richter. Im Laufe der Jahre sparte der Rat nach und nach Dezernentenstellen ein und bei Richter sammelten sich immer mehr Fachbereiche an. 2009 kam der Schulbereich hinzu, 2011 Kultur und Sport, 2015 die Bürgerdienste.
Mittlerweile gibt es neben Richter nur noch einen weiteren Dezernenten: Kämmerer Ansgar Bensch. Für die Diskussion, die jüngst im Rat angestoßen wurde, ob denn nicht auch ein Beigeordneter ausreichen würde, hat Richter nur ein Kopfschütteln übrig. „Das ist wahnwitzig und überhaupt nicht umsetzbar“, sagt er. Er verdeutlicht: „Zu meinem Dezernat gehören fast 400 Mitarbeiter. Auf die untergeordneten Fachbereiche entfallen rund 80 Prozent des Haushaltes.“ Richter ist der festen Überzeugung, dass da einer die Fäden zusammenhalten muss.
Er selbst hatte mehrfach gespürt, was es bedeutet, die Aufgabenbereiche aus anderen Dezernaten zu übernehmen. „Die 41-Stundenwoche gibt es für Dezernenten nur auf dem Papier“, sagt er. Bei der Fülle an Themen konnte er seine Energie nicht immer gleichmäßig verteilen. „Ich bin ganz ehrlich, den Bereich Kultur habe ich als Dezernent lediglich verwaltet.“ Da sei er froh gewesen, sich auf ein gutes Team verlassen zu können. Die zweite Reihe sei generell für die erfolgreiche Arbeit eines Dezernenten wichtig. Richter ist es ein Anliegen, sich zu bedanken: „Man kann nicht über so lange Zeit bestehen, wenn man kein zuverlässiges Team hinter sich hat. Und das hatte ich immer.“
Im vergangenen Dezember verweigerte der Rat Richter die erneute Wiederwahl für die nächsten acht Jahre. „Ich respektiere das“, sagt er — und nicht viel mehr. Bis heute lässt sich Richter nicht in die Karten gucken, ob ihm der Ausstieg nach acht Jahren oder die Wiederwahl lieber gewesen wäre. Er hatte sich zwar erneut aufstellen lassen, doch schien er sich von Anfang an gut mit der Situation arrangieren zu können. „Ich muss mir keine Vorwürfe machen“, sagt Richter. Er möchte nun Reisen. Sein liebstes Ziel ist Griechenland.