Die Marke Rheinkalk landet auf der Halde
Der Name verschwindet nach und nach aus dem Wülfrather Stadtbild. Jetzt auch am Stadion.
Wülfrath. In den vergangenen Tagen konnte es nicht schnell genug gehen. Am Samstag wurden die Ratsmitglieder mit Eilbriefen zur Sondersitzung zusammengetrommelt, um den einzigen Tagesordnungspunkt abzuhandeln: die Umbenennung des Rheinkalk-Stadions in „Lhoist Sportpark“. Deswegen so ein Theater? Wozu die Eile? Die Gründe für die Hektik blieben im Dunkeln. Weder Lhoist noch die Stadt mochten sagen, warum diese Umbenennung so schnell über die Bühne gehen musste.
Dabei reiht sich der kleine Namenswechsel in eine Reihe grundlegender Veränderungen ein, die die Stadt Wülfrath seit gut zwei Jahren durchmacht — oder „zu erleiden hat“, wie einer aus dem Werk Flandersbach sagt. Seit der Mutterkonzern 2014 völlig neu aufgestellt worden ist, verschwindet das Markenzeichen Rheinkalk. So wie Mannesmann in Vodafone unterging, hat Rheinkalk keine Zukunft mehr. Das sagt keiner laut, „ist aber so“ sagen Politiker und Verwaltung leise hinter vorgehaltener Hand.
Als König Philippe im Frühjahr 2015 kam, verschwanden aber die Straßenschilder. Vor dem Besuch wurden hastig alle Straßenschilder überklebt: Lhoist statt Rheinkalk stand ab da überall drauf, der Mutterkonzern zeigte Flagge. Doch das Verschwinden von „Rheinkalk“ in Wülfrath hatte viel früher begonnen. Werksleiter Ingo Stolzheise musste im Sommer 2015 gehen. Er war einer der wenigen verbliebenen „alten Kalker“ in der Führungsetage.
Der Vorsitzende des Rheinkalk-Pensionärsvereins, Hans-Peter Schelling, beklagte einmal, dass der Kontakt zwischen Verein und Geschäftsführung seit Jahren eingeschlafen sei. Zwar knüpfte der neue Werksleiter neue Bande zu den alten Kalkern. Festgezurrt wurde aber nichts. Im August stielte Lhoist die unternehmensrechtliche Zusammenlegung der beiden Betriebsstätten Hauptverwaltung und des Werkes Flandersbach ein. Da diese Verschmelzung auch zur Folge hatte, dass der größere Betriebsrat des Werkes den kleineren der Hauptverwaltung „schluckte“, legte Betriebsrätin Gabriele Münse ihr Mandat nieder und ging in Pension.
Durch die Zusammenlegung des Werks und der Hauptverwaltung gibt es heute nur noch ein Rheinkalk-Unternehmen. In Deutschland gibt es zudem nur noch die drei Regionen Zentral, West (mit Flandersbach) und Süd, zusammengefasst unter der belgischen Mutter. Die Folge: Wülfrath ist nur noch eine reine Produktionsstätte mit einer Mini-Verwaltung. Es soll künftig lediglich drei sogenannte Cluster bei Lhoist Deutschland geben. Das wäre dann das endgültige Aus des Markennamens Rheinkalk. Das Herz habe man Wülfrath aber bereits 1997 mit dem Wechsel zu Lhoist herausgerissen, nun werde das Beatmungsgerät langsam abgestellt, sagt ein Lokalpolitiker.
In der Stadt keimen Befürchtungen: Rheinkalk unterstützte Jahrzehnte soziale und kulturelle Einrichtungen sowie Sportvereine. Ob die Spenden weiter fließen werden, fragen sich viele. Das gestern vom Rat beschlossene und nun in Verhandlungen zu fixierende Namens-Sponsoring „Lhoist Sportpark“ wirkt wie eine neue Annäherung von Konzern und Stadt. Lhoist geht es aber eher um die Tilgung der Marke „Rheinkalk“, nicht um soziale Wohltaten für die Sportler am Erbacher Berg.
Weitaus bedrohlichere Folgen könnte die Abkapselung des Konzerns von der Stadt aber für die Gewerbesteuer haben. Lhoist als Weltmarktführer in der Kalksteinbranche kann kaum neue Kunden akquirieren, die industrielle Produktion wird Umsatz- und Gewinnsteigerungen nicht zulassen. Höhere Effizienz und Überschüsse sind lediglich mit Einsparungen und Steueroptimierungen möglich. Die Frage ist also: Wo zahlt Lhoist künftig seine Steuern? Noch in Wülfrath, der alten Heimat von Rheinkalk, oder doch irgendwann mal im europäischen Ausland? Spätestens dann wäre die Geschichte der Marke „Rheinkalk“ in Wülfrath zu Ende. Da hätte sich dann die Stadt bei den Einladungen für die Sondersitzung des Rates gar nicht so beeilen müssen.