Giftige Gaswolke in Wülfrath
Nach Störfall in Kunstharz-Firma warnt die Feuerwehr vor „Gefahr für Leib und Leben“.
Wülfrath. Wie gefährlich ist dieser Chemieunfall? Ein lahm gelegtes Gewerbegebiet, abgesperrte Straße. Firmen, die ihre Mitarbeiter nicht vor die Tür lassen dürfen. Schulen, die ihre Schüler über den Unterricht hinaus festhalten. Warnungen im Minutentakt, die Fenster und Türen von Häusern geschlossen zu halten. Dennoch rollt der Verkehr weiter, gehen Menschen spazieren, sammeln sich unbehelligt Schaulustige an den Straßensperren.
Wegen einer zu lange offen stehenden Drucklüftungsklappe sind aus einem Chemiebetrieb in Wülfrath gestern gegen 11 Uhr 300 Liter des chemischen Stoffes "Dicyclopentadien high purity" entwichen und vom Wind Richtung Osten verteilt worden. Das Gas hatte sich mit Regen und Luftfeuchtigkeit zu einem ölähnlichen Belag verbunden und den Bereich rund um das Industriegebiet kontaminiert.
"Gefahr für Leib und Leben" warnte die Feuerwehr am Nachmittag all diejenigen, die sich im Laufe des Tages im Industriegebiet Kocherscheidt aufgehalten haben. In einer benachbarten Firma wurde ein ärztlicher Dienst eingerichtet. Die Werksfeuerwehr von Henkel schickte Unterstützung.
Die Aussagen bleiben widersprüchlich. So will der Leiter des Chemiewerkes auf Nachfrage unserer Zeitung keine "große Gefährdung" der Gesundheit bestätigen. "Schleimhautreizungen sind möglich", so der Manager.
Die Polizei dagegen schlägt Alarm. Der ausgetretene Stoff habe erhebliches Gefahrenpotenzial: "Es kann zu starken Atembeschwerden bis hin zu Atemlähmung in den nächsten 48 Stunden kommen." Bei geringsten gesundheitlichen Problemen sollen sich Betroffene in ärztliche Behandlung begeben.
Zudem warnte die Polizei, dass der ausgetretene Stoff auch Gummi und somit insbesondere auch Autoreifen angreifen kann.
Bis zum Mittag hatten 25 Personen über Kopfschmerzen und Übelkeit geklagt. Mehr als 50 waren es am späten Nachmittag. Erste Patienten wurden stationär in umliegenden Krankenhäusern behandelt. Die Feuerwehr richtete eine Schleuse ein, durch die Anwohner und Beschäftigte des Gebietes ohne Krankheitssymptome den Bereich verlassen konnten.
Im Umfeld des Unfallortes wurde das Krisenmanagement kritisiert. "Wir wissen nichts. Uns sagt keiner, was los ist. Unsere Mitarbeiter müssen Däumchen drehen", so Lothar Hofer, Geschäftsführer eines benachbarten Unternehmens, der bei einem Anruf in unserer Lokalredaktion Informationen erhoffte. Polizei und Feuerwehr gäben ihm keine Auskünfte.