Hingabe für eine runde Sache

Vom Eventmanager zum Käser: Tobias Schlevogt (50) setzt heute auf Handarbeit. Er ist froh, sein Leben umgekrempelt zu haben.

Foto: Simone Bahrmann

Neviges. Ein Geruch irgendwo zwischen Milch und Käse wabert durch die Käserei am Schepershof. Tobias Schlevogt greift zur Milchharfe, einem Werkzeug, das einer langgezogenen Version des Instruments ähnelt, jedoch Schneideblätter eingespannt hat. Vor einer halben Stunde befanden sich noch 450 Liter frisch gemolkene Milch in dem Kessel vor ihm, doch mittlerweile hat das Lab mit der Arbeit begonnen — ein Gemisch, das in Kälbermägen entsteht.

Schlevogt zieht die Harfe durch die nun cremige Substanz. Kleine Bröckchen bilden sich, Käsebruch genannt. „Damit lassen sich neun Käselaibe formen“, sagt Schlevogt. Doch bis die gelben Räder im Hofladen angeboten werden, dauert es noch. Sechs Wochen braucht der bergische Landkäse, der dem Gouda-Käse ähnelt, bis zur Reife, der Bergkäse nimmt sich sechs Monate Zeit.

Auch Käser Tobias Schlevogt hat einen eigenen Reifungsprozess hinter sich. Vier Wochen brauchte er. Nach dieser Zeit fasste der heute 50-Jährige den Entschluss, sein Leben radikal zu ändern. Vor sechs Jahren noch bot Schlevogt Eventreisen an. „Ich war viel unterwegs, habe viel Geld verdient“, erinnert er sich zurück. Das Produkt seiner Arbeit: „Verrückte Trips für Versicherungs-Manager nach Dubai oder auf die Seychellen“, sagt er. Irgendwann habe er sich gefragt: „Braucht die Welt das, was ich tue?“

In seiner Rolle als Käser würde er die Frage heute sofort bejahen: „Jetzt schaffe ich Dinge mit meinen Händen. Das ist eine Arbeit, die mit deutlich mehr Sinn angefüllt ist.“

In der Käserei im Windrather Tal ticken die Uhren anders als in modernen Molkerei-Betrieben. Je nachdem, wie viel Milch von den umliegenden Höfen kommt, produzieren Schlevogt und seine zwei Kollegen täglich zwischen sechs und zehn Käselaibe. Trotzdem ist das Team von 6 bis 18 Uhr am Werk, auch am Wochenende. In der Gemeinschaftskäserei, die Schepershof und Örkhof gehört, steht die Handwerksarbeit im Vordergrund.

„Das Käsen auf diese Art lässt sich in Deutschland als Ausbildung gar nicht erlernen“, berichtet Schlevogt. Sein heutiges Wissen erlangte der Quereinsteiger daher in der Schweiz. Bei eben jenem Käser, der der Grund dafür ist, dass Tobias Schlevogt mit seiner Frau Stephanie und den drei Kindern schließlich von Düsseldorf auf den Schepershof zog. „Ich hatte ihn damals mit meinem stressigen Beruf immer beneidet“, sagt Schlevogt. „Wie er da so saß, mit der Pfeife im Mundwinkel und dem Käse im Hintergrund.“ Da sei ihm klargeworden: „In Sachen Lebensqualität hat er mir einiges voraus.“

Inzwischen hat Schlevogt aufgeholt — auch wenn er feststellen musste, dass auch als Käser bei einer 60 bis 70 Stunden Woche nicht unbedingt Langeweile aufkommt. Aber: Der Wahl-Nevigeser steht heute hundertprozentig hinter seinen Produkten, die es in den Hofläden im Windrather Tal ebenso zu kaufen gibt, wie in anderen Bioläden der Region. Neben den Schnittkäse-Sorten kommt auch Frischkäse, Weichkäse nach Munster Art, Joghurt, Quark und Trinkmilch aus dem Betrieb, den es bereits seit 40 Jahren gibt.

Zufrieden ist Schlevogt, der mit seiner Frau auch zu den vier Betriebsleitern des Schepershofs gehört, nicht nur mit der Qualität seiner Produkte, sondern auch den Bedingungen, unter denen sie entstehen. Eine Kuh auf den Biohöfen im Windrather Tal gibt rund 15 Liter Milch am Tag. Das mag im Vergleich zu den konventionellen Milchkühen wenig sein, aber Schlevogt weiß, welchen Preis die Effizienz hat. „Wenn eine Kuh bis zu 40 Liter Milch am Tag produziert, dann ist das für das Tier eine Qual.“ Kraftfutter und Hormonspritzen, all das lassen die Bio-Bauern weg. Gute Dinge, das hat Tobias Schlevogt gelernt, brauchen eben ihre Zeit.