Neviges Im 13. Jahrhundert trugen Männer Strapse
Neviges. · Hardenberger Fuhrmannsleut geben beim Mittelalter-Markt viele Einblicke.
Während Mike-Timo Müller an der Vorburg zur Belustigung des Publikums wie ein Drache große Feuerfontänen in den Himmel spukt, müht sich ein paar Meter weiter Pascal Molitor damit ab, eine winzige Glut zu erzeugen. Immer wieder schlägt er ein Stück Stahl gegen einen Feuerstein über einer Handvoll Heu, kleine Funken entstehen. Ein Funke schlägt über, das trockene Gras glimmt an einer Stelle. Der Mann mit dem roten Bart hält das Bündel, aus der es ein bisschen qualmt, dicht vor seinem Mund und bläst kräftig hinein. Immer wieder wendet er seinen Kopf zur Seite, atmet tief durch, um anschließend noch kräftiger in die Glut zu pusten. Nach einigen Versuchen lodert eine Flamme auf, Pascal Molitor legt den Feuerball schnell nieder und drapiert einige Holzscheite darüber, die sofort anfangen zu brennen. „Jetzt kann gekocht werden.“
Reisende Händler lebten damals gefährlich und reisten in Gruppen
Die „Hardenberger Fuhrmannsleut“ bieten beim Mittelalter-Markt am gleichnamigen Schloss mehrere Führungen an, um ein bisschen etwas aus dem Alltag des 13. Jahrhunderts zu vermitteln. „Wir stellen eine Gruppe reisender Händler dar. Weil das im Hochmittelalter eine gefährliche Unternehmung war, schloss man sich in Gruppen zusammen“, heißt aus Veranstalterkreisen. „Das Zelt in der historischen Form ist aus Leinen. Bei Regen quellen die Fasern auf und dichten ab.“ Die Zeltplane, unter der sich das Leben der Gruppe abspielt, ist allerdings aus imprägnierter Baumwolle, weil echtes Leinen wesentlich teurer ist.
Damit sind wir bei der Kleidung: „Mode war im Mittelalter richtig kostbar. Wer zeigen wollte, ich habe Geld, der hüllte sich in edle Stoffe. Das einfache Volk trug Kleidung aus Nessel oder Wolle, Schafe gab es genug“, schildert Stefanie Rademacher und demonstriert, wie Wolle gekämmt und mit der Hand versponnen wird. „Spinnräder gab es im Hochmittelalter noch nicht, auch Stricken war noch nicht erfunden.“
„Die Herren hatten keine Hosen an, sondern Beinlinge, die an der so genannten Bruche mit Bändern befestigt waren – damals trugen die Männer die Strapse“, lacht Stefanie Rademacher. „Frauen des Volkes hatten selten mehr als ein bis zwei Kleider. Schnürungen sorgten dafür, dass die Kleider bei Schwangerschaften weiter gemacht werden konnten. Kopfbedeckungen wie Hüte und Tücher waren üblich, so kamen keine Läuse in die Haare.“
Schreib- und Kampfkunst werden den Besuchern näher gebracht
Schreiben mit dem Federkiel war nicht so einfach. „Die Federn störten und wurden entfernt. Den Kiel konnte man nur nach unten und seitlich ziehen.“ Fabian Wolfram von Wolmar zeigt, warum Schreiben sehr lange dauerte und Bücher deshalb selten und kostbar waren. Während die Ritter die eisernen Rüstungen hatten, schützten sich die einfachen Kriegsknechte mit dem Gambeson, ein Wams aus mehreren Schichten Leinen, das vor Schnittwunden schützte, Ritter trugen eine einfachere Version unter dem Kettenhemd. Die Schilde bewahrten einen weiteren Teil des Körpers vor Verwundungen.
„Wenn die Jungs sich die Hucke voll gehauen hatten, kamen sie zu Heilerin“, leitet Stefanie Rademacher auf die Medizin des Mittelalters über, die mitunter aus einer Mischung aus Kuhmist und Honig bestand. „Da hatte man, ohne es zu ahnen, das Penicillin, verwendet.“