Kinder: Immer einen Zug voraus
Adriano Mocellin (7) ist ein großes Talent am Schachbrett. Mit seinem Bruder und anderen Kindern spielt er in der neu gegründeten Jugendgruppe der Schachfreunde.
Neviges. Adriano überlegt nicht lange: Kaum hat sein älterer Bruder Guliano Bauer, Turm oder Läufer gezogen, kontert der Siebenjährige mit seinen Schachfiguren. Keine 25 Züge wird das Spiel alt, dann ist der neunjährige Giuliano Matt gesetzt. Für Vater Thomas Mocellin kein Wunder — sein Junior konnte schon gegen einen schwedischen Großmeister mithalten.
Nun ist Schach nicht gerade die bevorzugte Freizeitbeschäftigung von Grundschülern. Aber schon Thomas Mocellin selbst kam mit acht Jahren durch seinen Vater zum Schach. „Mit 16 oder 17 Jahren bin ich zu den Schachfreunden Neviges gestoßen“, sagt der 46-Jährige, der heute am ersten Brett der ersten Mannschaft des Vereins sitzt. Auch mit Frau und Kindern habe er schon früh Gesellschaftsspiele wie Mühle, Halma oder Dame gespielt, berichtet der gelernte Florist.
So brachte er seinen Jungs vor drei Jahren Schach bei — da war Adriano gerade vier, aber schon mit großem Eifer bei der Sache. Was fehlte, war eine regelmäßige Spiel- und Trainingsmöglichkeit: „Wir hatten schon länger die Gründung einer Jugendgruppe im Blick“, sagt Mocellin. Einen kräftigen Schub brachte der Stand auf der Hardenberger Straßenfete: „Die Resonanz bei den Kindern war toll“, erinnert sich der Nevigeser.
Nach den Sommerferien fand sich mehr als ein halbes Dutzend Kinder zwischen sieben und 14 Jahren zusammen, die nun jeden Dienstag von erfahrenen Spielern an die Finessen des königlichen Spiels herangeführt werden. Dazu gehört auch die Theorie: Was ist eine Rochade, welchen Wert haben die einzelnen Figuren, was ist ein Patt?
Adriano holt die Fragebögen hervor, die er vor dem Spiel ausgefüllt hat. Präzise erklärt der Zweitklässler die Fachbegriffe. Sein Bruder und er spielen häufig gegeneinander oder gegen Freunde, doch am liebsten gegen ältere, erfahrene Spieler: „Da lernt man mehr“, sagt Giuliano, „die erklären einem die Eröffnung, ob ein Zug gut ist oder welche Fehler man gemacht hat.“ Das Brettspiel ist aber beileibe nicht alles für die beiden Grundschüler, die außerdem Fußball beim TuS Neviges sowie Tennis spielen und auch in der Musikschule aktiv sind.
Höhepunkt ihrer bisherigen Schachkarriere war für die Brüder Anfang September das Simultanturnier gegen den schwedischen Großmeister Ulf Andersson, an dem 26 Schachspieler aus der Region teilnahmen. „Wenn ihr 15 Züge übersteht, seit ihr gut“, hatte Thomas Mocellin damals mit seinen Söhnen gescherzt. Am Ende war es erst der 46. Zug, nach dem Adriano kapitulieren musste. Bruder Giuliano und auch Vater Thomas hatten da schon die Segel gestrichen. Der Siebenjährige hatte es dagegen bis unter die letzten acht geschafft, was ihm nicht nur Anerkennung des Großmeisters einbrachte: „Der Junge hat Talent“, lobte auch Anderssons Lebensgefährtin Gisela Fischdick, Turnierbeobachterin und selbst Großmeisterin.
„Ich hätte nicht gedacht, dass er fünf Stunden lang diese Konzentration aufbringt und das Turnier so großartig durchzieht“, sagt Thomas Mocellin stolz, räumt aber auch schmunzelnd ein, dass er selbst gern besser abgeschnitten hätte. Für den Nevigeser hat das Spiel auch einen ganz praktischen Effekt: „Schach erfordert die Konzentration, das Kombinieren, das Vorausdenken — für die Schule kann das nur förderlich sein.“ Umso mehr freut ihn, dass an der katholischen Grundschule nach großem Eltern-Interesse eine Schach-AG im Rahmen der Offenen Ganztagsschule gegründet wurde.