Landwirte klagen Landrat ihre Existenzangst
Thomas Hendele besuchte zwei Betriebe in Velbert. Wichtigste Themen: Milchpreis und Gülle.
Velbert. Gemolken wird maschinell, aber ohne Roboter. Gut zwei Stunden dauert das bei 100 Milchkühen und mit doppelt guter Aussicht. Draußen vor dem Stall hatte Landrat Thomas Hendele gerade eben einen der schönsten Ausblicke Nordrhein-Westfalens genossen — aus 300 Metern Höhe über das Tal hinweg bis zum Wuppertaler Stadtrand. Ein Nachbar warnte Bauer Rainer Stiefeling: „Pass bloß auf, sonst machen sie noch ein Naturschutzgebiet aus Deinem Acker!“ Der Hausherr setzte ein undurchdringliches Pokerface auf. Und lenkte den Blick auf Panorama zwei: Farbe auf Beton, grüne Wiese und Kühe. Eigentlich wie vor der Tür, nur dass hier Wandmaler tätig waren. „Als die Kühe zum ersten Mal in den Melkraum kamen, haben sie schon gestutzt.“
Rindermast, Milchwirtschaft und Getreideanbau — auf diesen drei Säulen ruht der Hof von Rainer und Annette Stiefeling: 125 Fußballfelder, 40 Mastbullen, 100 Milchkühe. Das vergangene Jahr hat tiefe Löcher in ihr Vermögen gerissen, „an denen wir noch heute arbeiten“. Mittlerweile hat sich der Milchpreis wieder so weit berappelt, dass wenigstens die Kosten gedeckt sind. Doch für die jetzt notwendigen Investitionen bleibe nichts übrig. Ohne die tatkräftige Mithilfe von Sohn und Tochter ginge es gar nicht. Das wollen Stiefeling und der rheinische Landwirtschafts-Verband dem Landrat Hendele und seinen Beamten deutlich machen, die sich im Rahmen der „Bereisung“ in den äußersten Nordostzipfel des Kreises Mettmann wagten.
Denn auf den Milchpreissturz folgte der Gülleschock: Weil zuviel Nitrat im Trinkwasser ist, verschärften Bund und Länder die Düngevorschriften. Das Jauchesilo hat Stiefeling schon., vor einer neuen Bürokratie mit einer neuen Stromgrößen-Rechnung graust ihm noch. „Doch es kommt alles, nach und nach. Schön wäre es, wenn die Einhaltung mit Augenmaß überwacht würde.“ Landrat Hendele nickt, sagt aber auch: „Diese Verordnungen machen ja nicht wir. Wir sollen sie bloß kontrollieren.“
Die „Bereisung“ des Landrats soll dem gegenseitigen Verständnis dienen. Das gilt auch bei Milchhof Nummer zwei am „Tag der Milchewirtschaft“ — dem Gut Hixholz, das Michael und Claudia Greshake etwa ein Kilometer vor der Stadtgrenze von Velbert bewirtschaften. 58 Fußballfelder landwirtschaftliche Nutzfläche, jeweils zur Hälfte Getreide und Grünland. 70 Milchkühe mit Nachzucht. Und ein eigener Klassenraum. Denn Claudia Greshake zeigt Schulklassen auf ihrem Schulbauernhof, was Landwirtschaft ist.
Dazu hat sie sich selbst weitergebildet und die Unterrichtsräume geschaffen. Klassen aus dem ganzen Land kommen, übernachten in der nahen Jugendherberge und lernen. Wenn es gut läuft für die Greshakes, die Stiefelings und all die anderen Landwirte, dann verstehen die Städter vielleicht einen Zusammenhang: Jede neue Auflage zum Schutz von Tier und Umwelt schafft neue Kosten bei den Bauern. Ginge es gerecht zu, müssten eigentlich gleichzeitig Fleisch, Milch, Eier und Getreide teurer werden.