Milchpreise: Eine harte Durststrecke
Erst vor einem Jahr hat die Nevigeser Bauernfamilie Mühlinghaus 850 000 Euro in den Ausbau ihres Milchbetriebs gesteckt . Doch derzeit macht sie wegen der Preiskrise mit ihren Erzeugnissen Verluste.
Neviges. Dorothea Mühlinghaus musste früher um 5 Uhr aufstehen, um die Kühe zu melken. Seit dem Ausbau des familieneigenen Milchbetriebs in Neviges darf der Wecker auch etwas später klingeln — um die rund 110 Kühe kümmert sich der Melkroboter. „Jetzt darf ich auch mal verschlafen“, sagt sie. Wenn die Tiere zum Melken bereit sind, weiß das deren Chip um den Hals. Eine automatische Tür öffnet sich und die Kühe lassen sich vom Kraftfutter ganz freiwillig in die Maschine locken.
Mehr als 850 000 Euro haben die Nevigeser in den Bau des neuen Stalls investiert, der den Hof aus dem Jahre 1969 technisch auf den neusten Stand brachte. Trotzdem kann die Familie Mühlinghaus nicht unbeschwert in die Zukunft blicken. Grund ist die aktuelle Milchpreiskrise.
Das Erzeugnis, das von der neuen Maschine durch die Schläuche abgepumpt wird, ist plötzlich nichts mehr wert. „Wenn es noch ein Jahr so weiter geht, dann sieht es für uns ganz dramatisch aus“, sagt Seniorchef Emil Mühlinghaus. Die Zahlen sind erschreckend: Um kostendeckend zu arbeiten, müssen die Landwirte nach eigenen Angaben 29 Cent pro Liter Milch im Verkauf erzielen, derzeit liegen jedoch die Auszahlungspreise in NRW zwischen 22 und 25,67 Cent.
Der Hof an der Alaunstraße — einer von knapp zehn Milchproduzenten in Velbert — zahlt also derzeit auf die monatlich rund 75 000 produzierten Liter Milch drauf. „Das geht nur, wenn man für sich selbst kein Geld mehr ausgibt“, schildert Emil Mühlinghaus die ernüchternde Realität.
Eine Besserung der Preise ist derzeit nicht in Sicht. Martin Dahlmann, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Mettmann, stellt fest: „Der Preis ist momentan im freien Fall.“ Die Ursachen sind ebenso bekannt, wie unabänderlich: das Russland-Embargo für europäische Lebensmittel, eine stockende Import-Nachfrage aus China und gleichzeitig eine stärkere Milchanlieferung der Bauern, die den heimischen Markt belastet. Die Landwirte sehen sich nach Aussage von Martin Dahlmann außerdem einem immer kleiner, aber mächtiger werdenden Kreis aus Lebensmitteleinzelhändlern und deren „Billigpreisstrategie“ ausgeliefert. „Die Ministererlaubnis zur Übernahme von Tengelmann durch Edeka wird die Situation weiter verschärfen“, sagt der Kreisvorsitzende, der selbst als Landwirt in Wuppertal arbeitet.
Können die Verbraucher etwas tun? Martin Dahlmann sagt: „Ich kann nur appellieren, keine Milch von No-Name-Marken im Discounter zu kaufen.“ Abnehmer der Milchproduzenten der Region seien Großhändler wie FrieslandCampina oder Arla Foods.
Die Familie Mühlinghaus hat mit ihrem Betrieb auf die Zukunft gesetzt. Neben den 110 Kühen in der Produktion ziehen die Nevigeser 110 weitere Tiere auf ihrem 75-Hektar-Grundstück groß. Vor drei Jahren haben sie den Getreideanbau aufgegeben und sich ganz auf die Milch konzentriert. Das will auch Martin Mühlinghaus weiter tun, der den Betrieb von seinem Vater übernehmen wird. Er war es auch, der die Familie von dem Ausbau überzeugte. Für ihn ist die Arbeit mit den Kühen mehr als ein Geschäft: „Man muss damit groß geworden sein, um den Wert schätzen zu können, der dahinter steht.“