Pflege: Tipps am Arbeitsplatz
Die Stadt, ein Unternehmen und die Diakonie bieten im Rahmen eines Projektes eine Pflegeberatung für die Mitarbeiter an — und das direkt an der Arbeitsstätte.
Velbert. „Ich habe mir doch lange Zeit keine Gedanken gemacht, ob ein Mitarbeiter vielleicht einen Angehörigen pflegen muss und ob er damit zurechtkommt“, sagt Sabine Lindner-Möller. Sie ist Unternehmerin, genauer gesagt, leitet sie als Geschäftsführerin die MECU Metallhalbzeug GmbH & Co. KG. Und als solche muss sie in erster Linie zusehen, dass der Laden läuft. Zahlen, Daten, Fakten — das muss stimmen. „Aber ich habe eingesehen, dass das alleine eben nicht ausreicht, damit ein Unternehmen erfolgreich ist“, sagt sie. Der Sinneswandel kam ihr, als zwei Mitarbeiter von ihr in die Lage kamen, dass sie schnell die Pflege ihrer Angehörigen organisieren mussten. „Sie haben mich angesprochen. Und da ist mir klar geworden, dass ich was tun muss.“
Ähnlich ging es auch der Stadt Velbert als Arbeitgeber und der Diakonie Niederberg. Auch sie erkannten, dass sie was tun müssen in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. Und so riefen Lindner-Möller, die Stadt Velbert und die Diakonie vergangenes Jahr ein Projekt ins Leben, damit die Mitarbeiter bestens auf den Fall der Fälle vorbereitet sind und Hilfe bekommen. Am Mittwoch präsentierten alle drei Kooperationspartner im Rathaus, was es mit dem Projekt auf sich hat.
„Wichtig war uns aber, dass Mitarbeitern, deren Angehörige zum Pflegefall werden, geholfen wird, wenn sie nicht mehr weiter wissen“, sagt Bürgermeister Stefan Freitag. Dagmar Czerny, Geschäftsführerin der Diakonie Niederberg ergänzt: „Oft brauchen die Angehörigen schnell und unverzüglich Rat. Denn kaum einer beschäftigt sich mit dem Thema Pflege bevor es zu so einem Fall in der Familie kommt.“
Genau das ist das besondere an dem Projekt: Wenn ein Mitarbeiter der Stadt oder des Unternehmens Mecu Hilfe braucht, weil ein Angehöriger zum Pflegefall geworden ist, dann kann er sich einfach bei der Diakonie telefonisch melden. „Der Berater fährt dann umgehend in den Betrieb oder zur Stadt und gibt Hilfestellungen. Wartezeiten entfallen.“
Die Kosten von 79 Euro pro Beratungsstunde müssen die Mitarbeiter nicht selber zahlen. Stadt und die MECU GmbH kommen für die Kosten auf. „Aber ich zahle lieber dieses Geld und mein Mitarbeiter bekommt sofort Hilfe und muss sich nicht alles alleine an Informationen besorgen. Dafür bräuchte er vielleicht mehrere Tage, die er dann hier an seinem Arbeitsplatz fehlt“, sagt Freitag. „Aber neben diesen betriebswirtschaftlichen Erwägungen bin ich ein Befürworter dieses Projektes, weil es auch darum geht, Verantwortung für seine Mitarbeiter zu übernehmen. Dazu gehört auch, Hilfestellungen zu bieten, wenn er in einer schwierigen privaten Situation ist.“
Neben der Beratung gehören zum Projekt auch Informationsveranstaltungen zu Themen wie Pflegeversicherung, Hilfestellungen für die Pflege zu Hause oder deren Finanzierung. Sieben Vorträge haben seit vergangenem Jahr stattgefunden. Die Resonanz der Mitarbeiter sei enorm. „Viele zeigen Interesse und haben auch Themenvorschläge für weitere Vorträge gehabt“, sagt Lindner-Möller. Für die Zukunft wollen alle drei Projektpartner noch weitere Unternehmen gewinnen, beim Vorhaben dabei zu sein. „Der demografische Wandel wird es mit sich bringen, dass meine Kollegen nicht mehr die Augen vor dem Thema Pflege verschließen können“, ist Lindner-Möller überzeugt.