Sozialwissenschaftler Udo Hoffmann: „Schule ist nicht das Wichtigste“
Sozialwissenschaftler Udo Hoffmann, Vater von vier Kindern, rät Eltern, nicht nur auf die schulische Leistungen der Sprösslinge zu achten.
Wülfrath. Endlose Debatten über Hausaufgaben? Die möchte Udo Neumann zuhause nicht führen müssen. Dabei gäbe es dafür bei vier Kindern vermutlich genug Gelegenheiten. Mathe oder Fußball? Fürs Referat lernen oder Klavierunterricht? Eltern kennen diese ewigen Streitereien, bei denen meist schon vorher klar ist, wie sie ausgehen werden: Schule geht vor, alles andere kann warten.
Udo Neumann teilt diese Sicht nicht. „Schule ist nicht so wichtig“, sagt der städtische Jugendhilfeplaner. Damit meint er natürlich nicht, dass Kinder einen Freibrief dafür bekommen sollten, sich im Klassenzimmer nicht mehr blicken zu lassen. Vielmehr appelliert er an die Eltern, die wesentlichen Dinge des Lebens nicht aus den Augen zu verlieren. „Durch die ewigen Streitereien um Hausaufgaben wird in vielen Familien das Klima vergiftet“, glaubt Udo Neumann.
Und aus eigener Erfahrung kann er sagen: „Auch nach einem Schulabbruch kann es gut weitergehen.“ Dabei weiß der 55-Jährige sehr genau, wovon er spricht. Denn auch seine eigene Schullaufbahn war nicht ohne Brüche. Als er damals genug vom ewigen Lernen hatte, brach er ab. Auch die Ausbildung zum Installateur war nicht das, was er sich für den Rest seines Lebens vorstellte. Und dann kam er plötzlich, der Moment, an dem klar war: Ich hole jetzt meine mittlere Reife nach und mache Abitur. Udo Neumann studierte Sozialwissenschaften, jobbte nebenher bei Jugendfreizeiten und seit beinahe 20 Jahren befasst er sich nun schon beim Jugendamt mit der kommunalen Jugendhilfeplanung.
Dass er selbst Vater von vier Kindern ist, macht die Sache für ihn leichter. Wird andernorts der Kontrollwahn von „Helikoptereltern“ beklagt, weiß er aus Erfahrung: „Das Zeitmanagement ist nicht immer leicht.“
Ohne die stetige Fahrbereitschaft von Müttern und Vätern lasse sich der Terminplan vieler Kinder gar nicht bewältigen. Auch dass Eltern häufiger in Unis anzutreffen seien, in denen eigentlich ihre Kinder studieren, hält Udo Neumann für einen Umstand, der manchmal nicht zu vermeiden sei: „Durch G8 machen schon 17-jährige Abitur, die noch nicht mal eine Entschuldigung, und erst recht keinen Mietvertrag selbst unterschreiben dürfen.“
Schaut er hingegen auf die eigenen Studienzeiten zurück, sei das freilich anders gewesen. „Wir hätten mit der Mutter im Schlepptau wohl Schnappatmung bekommen“, sagt er schmunzelnd.
Bei allem, was heute über das Miteinander von Eltern und Kindern gesagt werde, müsse man jedenfalls immer auch die sich ändernden Verhältnisse betrachten. „Mit dem Handy kann man in Kontakt bleiben, aber kann jemanden damit auch kontrollieren“, appelliert er an Eltern, das eigene Tun im Blick zu behalten.
Dass die Zeit immer kürzer werde, in der Kinder unbeschwert und ohne Ansprüche von außen leben könnten, hält Udo Neumann für eine bedenkliche Entwicklung. „Die Forderungen beginnen immer früher. Die Freizeitstundenpläne sind teilweise erschreckend“, weiß er.
Sich diesem Trend auch mal zu entziehen, sei für Mütter und Väter eine große Herausforderung. Aber auch eine gute Möglichkeit, um ihren Kindern genug Zeit für seelisches Wachstum und eigene Entscheidungen zu geben.