Velbert: Schwester Ilse verlässt Neviges
Die 64-Jährige geht in den Ruhestand. 26 Jahre war die Diakonisse Schulleiterin des Berufskollegs Bleibergquelle.
Neviges. Am Anfang stand ein zerbrochener Traum: "Mit 16 Jahren wollte ich Abitur machen und Lehrerin werden", erinnert sich Schwester Ilse Wenzel. Dagegen standendie Vorstellungen des Vaters, eines selbständigen Kaufmanns in Düsseldorf, bei dem sie stattdessen eine kaufmännische Lehre absolvierte.
Die Frage nach ihrer Zukunft führte sie zu Gott, und so schloß sie sich vor 40 Jahren den Diakonissen an. Die erkannten ihre Fähigkeiten - und schickten sie nach der Jungschwesterzeit zum Studium von Ernährungs- und Sozialwissenschaften auf Lehramt nach Bonn: "Obwohl ich nie von meinem Traum gesprochen hatte, wurde er doch erfüllt."
In der Ordenstracht war sie, wie eine katholische Nonne, damals eine Exotin auf dem Campus: "Wir haben ökumenisch studiert", lacht Schwester Ilse in Erinnerung an die Kommilitonin. Nach dem Referendariat in Düsseldorf übernahm sie 1983 am Bleiberg die Leitung der 1953 gegründeten Pflegevorschule mit angeschlossenem Internat: "Die Schülerinnen hatten die Haupt- oder Realschule beendet, waren mit 14 oder 15 Jahren aber noch zu jung für die Krankenpflegeausbildung."
Diese Vorschule gibt es wie das Internat lange nicht mehr. Statt dessen stellte sich das Berufskolleg unter Schwester Ilses Leitung den Anforderungen neuer Ausbildungsgänge mit Schwerpunkt Sozial- und Gesundheitswesen, ist heute Berufsfachschule Sozialwesen, Fachschule für Sozialpädagogik, Fachoberschule und Sozialpädagogisches Gymnasium.
Das Ausbildungsspektrum reicht vom Berufsorientierungsjahr für Schüler ohne Hauptschulabschluß über den Berufabschluss als Erzieher, die Qualifikation zur Fachober- und Hochschulreife bis zum Studienabschluß Bachelor Social Work. Als Schwester Ilse mit ihrer Arbeit begann, betreute die Schule 50 Schüler - heute sind es 550, zu 80 Prozent junge Frauen. "Es könnten noch mehr sein, wenn wir Platz hätten", berichtet die Schulleiterin von langen Wartelisten.
Auch die zunächst ungeliebte Ausbildung beim Vater trug Früchte: "Kaufmännisches Denken gehört bei einer Schulleitung dazu", betont Schwester Ilse, die nicht nur in Sachen Ausbildung an der Schule neue Wege einschlug. An einem alten Problem zum Beispiel hat sich wenig geändert: Immer wieder werden Schülerinnen schwanger.
Um ihnen trotzdem den Berufsabschluss zu ermöglichen, wurden vor zwölf Jahren die "Quellenzwerge" eingerichtet, eine Tagesstätte für Kleinstkinder zu einer Zeit, als der Begriff "U3-Betreuung" noch ein Fremdwort war: "In der Diakonie ist nichts so konstant wie der Wandel. Wir müssen mit der Zeit gehen", sagt Wenzel. Ganz wichtig ist ihr aber vor allem die christliche Ausrichtung der Schule: "Viele junge Leute wissen nichts über christlichen Glauben, unsere Werte."
Diese kennenzulernen sei Grundlage, um selber eine feste Stellung beziehen zu können - eine Einstellung, die auch die muslimischen Schülerinnen akzeptieren. Eine ganze Reihe der Mädchen trägt ein Kopftuch, doch sie und ihre Elten haben sich bewusst für das Berufskolleg entschieden - für Schwester Ilse auch ein Zeichen gelungener Integration.
Heute vormittag nun wird Schwester Ilse in der Kirchhalle des Diakonissen-Mutterhauses Abschied von "ihrem" Berufskolleg Bleibergquelle - und auch von Neviges nehmen: Nach über 26 Jahren als Schulleiterin tritt sie in den Ruhestand - der eigentlich ein Unruhestand wird, denn im nächsten Schuljahr stellt sich die Diakonisse noch einmal einer neuen Aufgabe.
Ab August wechselt Schwester Ilse zusammen mit Schwester Anna Sonthoff nach Porta Westfalica, um dort als Schulleiterin die Fachschule für Sozialpädagogik aufzubauen. An den Wochenende aber will die Diakonisse, die privat gern bei Lesen und Schwimmen entspannt, in ihre Velberter Heimat zurückkehren und weiterhin im Mutterhaus wohnen.