Wülfrath: Armut drückt auf den Magen

Seit fünf Jahren gibt es die Initiative „Wülfrather Kinder in Not“. 545 Mädchen und Jungen leben laut einer neuen Erhebung unter der Armutsgrenze.

Wülfrath. Das Jeans-Knopf-Syndrom - oftmals ein untrügliches Zeichen für Kinderarmut. "Ich kannte das auch nicht. Erzieherinnen aus Wülfrather Kindergärten haben mich darauf aufmerksam gemacht", sagte DRK-Vorsitzender Wolfgang Peetz in der gemeinsamen Sitzung von Jugendhilfe- und Schulausschuss.

"Der Begriff umschreibt die Folge davon, dass Kinder über lange Zeit viel zu kleine und zu enge Hosen tragen müssen, weil deren Eltern sich keine neue leisten können: Der Knopf hinterlässt einen bleibenden Eindruck - wie ein zweiter Bauchnabel."

Das war nicht das einzige nachhaltige Bild, das Peetz in seinem Bericht über fünf Jahre Arbeit der Initiative "Wülfrather Kinder in Not" lieferte. "Sehr beeindruckend", sagte anschließend Jugendhilfeausschussvorsitzender Wolfgang Preuß (SPD) über die Ausführungen.

"Der Bericht macht nachdenklich", pflichtete Andreas Seidler (CDU) bei. "Diese Hilfe könnte die Stadt Wülfrath nicht leisten. Und diese Hilfe ist schnell und unbürokratisch", dankte Fachbereichsleiter Hans-Werner van Hueth.

Der 11. Juni 2005 ist das offizielle Gründungsdatum von "Wülfrather Kinder in Not". Die Initiative ging unter anderem von DRK-Schuldnerberaterin Dagmar Peetz und der damalige Jugendhilfeausschuss-Vorsitzenden Bettina Molitor (SPD) aus. Der Bedarf an Unterstützung, wies Peetz in der Sitzung nach, ist seither gestiegen.

Laut neuesten Erhebungen würden in Wülfrath 545 Mädchen und Jungen unter der Armutsgrenze leben. Die Armut hat viele Gesichter: Kinder, die montags hungrig in den Kindergarten kommen. Jungs, die die Schuhe der Mütter auftragen müssen. Sommerkleidung im tiefen Winter.

Wolfgang Peetz betonte, dass die Initiative Geld nur auf Antrag einer Institution bewillige - das gehört zu den Grundsätzen der Initiative. Zudem gebe es keine Barzahlung an Eltern. Und: "Kinder haften nicht für ihre Eltern." Das Geld, unterstrich Peetz, "ist keine Aufstockung von HartzIV".

Mittlerweile hat sich die Sicherung und Finanzierung von Mittagessen in Kindertagesstätten, in den Offenen Ganztagsgrundschulen sowie in der Hauptschule als Schwerpunkt herauskristallisiert. Für 105 Kinder (davon 20 in den Kitas) finanziert die Initiative mit Unterstützung eines Landesprogramms "Kein Kind ohne Mahlzeit" das Essen. Bis 2011 gibt es diesen Zuschuss. "Insgesamt müssen 50.000 Euro jedes Jahr aufgebracht werden", zeigte Peetz die Dimensionen auf.

Der DRK-Vorsitzende ist überzeugt, "dass unsere Initiative in den Herzen der Wülfrather angekommen ist". Fest macht er das unter anderem daran, dass im Juni allein drei Großveranstaltungen zu Gunsten bedürftiger Kinder in Wülfrath stattfinden: am 6. Juni der Familientag des Hegerings, am 12. Juni die Benefizveranstaltung des Stadtkulturbundes und am 19. Juni das Fest zum fünften Geburtstag der Freien Aktiven Schule.

Dass man die Arbeit gegen die Kinderarmut nicht allein der Initiative unter dem Dach des DRK überlassen kann, hat die Stadt erkannt. So soll es langfristig eine Arbeitsgruppe geben, die sich der Gesamtproblematik annimmt. Hans-Werner van Hueth: "Neben Jugendhilfe und Politik sollten auch Arge und Schulen zum Beispiel eingebunden werden. Wir müssen vielfältiger an das Problem herantreten."