Wülfrath: Ein Top-Wirtschaftsstandort, aber...
Die WZ sprach mit Kämmerer Rainer Ritsche über Wülfraths Abschneiden beim IHK-Mittelstädteranking.
Wülfrath. Die gute Nachricht vorneweg: Wenn es nach der Industrie- und Handelskammer (IHK) Düsseldorf geht, ist Wülfrath ein sehr guter Wirtschaftsstandort. Im aktuellen Ranking der Mittelstädte in NRW (20 000 bis 100 000 Einwohner) ist die Stadt auf Platz 28 von 181 gelandet. Kämmerer Rainer Ritsche kommentierte für die WZ das Stadtprofil, so wie es jetzt die IHK zeichnet.
Die angespannte Situation im Wülfrather Haushalt hat Auswirkungen auf Gewerbesteuerhebesatz und den Hebesatz der Grundsteuer B (für Hausbesitzer). Beide Werte entscheiden letztendlich, wie viel Steuern ein Unternehmen zu zahlen hat, beide Werte sind in Wülfrath im Vergleich zu vielen anderen Städten der Region hoch. Dafür bietet die Kalkstadt Beständigkeit. Ritsche: „Wir haben den Unternehmen kommuniziert, dass wir die Hebesätze auf jeden Fall bis 2018 stabil halten, damit sie Planungssicherheit haben.“
Negativ wertet die IHK jedoch, dass die Pro-Kopf-Verschuldung in Wülfrath mit 3347 Euro ziemlich hoch ist. Im NRW-Vergleich der Mittelstädte liegt Wülfrath damit auf Rang 142 und somit im roten Bereich. Positiv hingegen: die hohe Steuereinnahmekraft je Einwohner (Rang 31). Unterm Strich leidet Wülfrath unter seinen Finanzen. Im Städtevergleich insgesamt nur Platz 124.
Hebesätze sind nicht alles. Ritsche sagt: „Unternehmen schauen oft auf viel mehr.“ Zum Beispiel die verkehrliche Anbindung. Hier ist Wülfrath — wie die meisten Städte im Kreis — bestens aufgestellt. Von der Stadtmitte brauchen Autofahrer nur fünf Minuten zum nächsten Autobahnanschluss, von denen es im 20-Kilometer-Umkreis um Wülfrath elf Stück gibt. Den ersten Rang errechnete die IHK für Wülfraths Flughafenanbindung. Bis zum Düsseldorfer Airport ist es ein Katzensprung und zu anderen Flughäfen wie Köln-Bonn oder Frankfurt-Hahn ist es auch nicht weit. Fazit: Rang 11.
Hochqualifizierte Arbeitnehmer muss man in Wülfrath nicht lange suchen. Kämmerer Ritsche sagt: „Da sind wir im Ballungsgebiet Rhein-Ruhr gut aufgestellt.“ Ergebnis: Platz 33 beim Ranking. Negativ hingegen: Seit 1999 ging die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um fast 19 Prozent zurück. Bei der Arbeitslosigkeit rangiert Wülfrath jedoch im vorderen Mittelfeld. Möglich macht das die hohe Zahl der Auspendler.
Diese beiden Faktoren machen bei der IHK nur einen Bruchteil der Gesamtwertung aus. Während Wülfrath mit überdurchschnittlicher Kaufkraft glänzt, klingt die Bevölkerungsprognose von IT.NRW besorgnisserregend. Wülfrath verliert massiv an Bürgern und soll laut Berechnung der Statistiker im Jahr 2030 nochmal rund 16 Prozent seiner Bevölkerung eingebüßt haben. Rainer Ritsche ist mit den Zahlen nicht einverstanden: „Ich weiß nicht, wie die darauf kommen. Das ärgert mich.“ Dass die Prognosen nicht immer stimmen, könne er an einem jüngeren Beispiel belegen. Im Jahr 2014 sollte die Stadt um 169 Personen schrumpfen. „Nach unseren Zahlen sind aber 44 hinzugekommen“, berichtet der Kämmerer.
Unterm Strich kommt Wülfrath beim IHK-Ranking gut weg. Was die Erhebung nicht zeigt, ist das Potenzial der Stadt. Konnte die Stadt alles abrufen, was möglich wäre? Ritsche meint: „Nein. Viele gute Flächen sind nicht in unserem Eigentum, da wäre noch viel zu holen.“ Das Problem sei, dass die Eigentümer nicht verkaufsbereit sind oder überzogene Preise ansetzten. Eine weitere Schwierigkeit sei die für Firmenansiedlungen ungeeignete Topographie vieler Areale. Hier liegt vielleicht die größte Krux an der Sache: Gute Noten bringen nichts ohne die passenden Flächen.