Frauen und die Textilindustrie

Der Vortrag einer Viersenerin zur Geschichte der Textilproduktion fand viele interessierte Zuhörer.

Foto: Siemes

Nettetal. Die Textilproduktion am Handwebstuhl und auf industrielle Weise in der Region ist Geschichte, sie gehört der Vergangenheit an. Aber viele Menschen sind bis heute in der Geschichte der Textilindustrie verwurzelt. Wohl auch deswegen war das Interesse an der Veranstaltung „Frauen in der Textilherstellung“ groß. Mehr als 40 Besucher kamen dazu in das Textilmuseum „Die Scheune“ nach Hinsbeck.

Die Viersener Kunsthistorikerin Angela Klein-Kohlhaas hatte einen Vortrag erarbeitet, der im Anschluss viel Stoff für weitere Gespräche bot. Die Geschichte der Kleidung ist so alt wie die menschliche Kultur und äußerst facettenreich. In den vergangenen 650 Jahren hat sich die Bekleidung des Menschen stark verändert.

Mit diesen Veränderungen einhergingen auch andere Vertriebswege und Erwerbsmöglichkeiten mit Textilien, berichtete die Kunsthistorikerin. Parallel dazu änderten sich die Bedürfnisse der Frauen an ihre Bekleidung, ihr Verhältnis zur Kleidung habe sich verändert. Klein-Kohlhaas befasste sich daher nicht nur mit verschiedenen textilen Materialien am Niederrhein, sondern beleuchtete auch das Thema aus der Sicht der Konsumentinnen und der Hersteller.

In der Produktion änderten sich mitunter rasant die Arbeitsbedingungen und sozialen Umstände. Technisch änderten sich die Farbstoffe, die Frauen in der Region ursprünglich einsetzten. Lange waren Wolle, Leinen, Baumwolle und Seide die einzigen Materialien für die Textilproduktion.

Mit der Zeit wurden sie zu Mischgeweben kombiniert. Verfügbarkeit, Preis, Verarbeitung und Tragekomfort waren Hauptkriterien, wann und für welchen Zweck bestimmte Fasern eingesetzt wurden.

Die Veredlung durch Farben kam hinzu. „Wolle und Seide nehmen Farbstoffe besser an als pflanzliche Fasern. Daher wurde häufig Wert auf besonders weißes, also gut abgebleichtes Leinen gelegt“, berichtet die Referentin.

Interessant für die Zuhörer war, wie Klein-Kohlhaas die Veränderung des Arbeitsbilds der Frau in der Textilherstellung schilderte. Erst im späten Mittelalter bildeten sich durch die städtischen Strukturen und die daraus spezialisierten Anforderungen häusliche Tätigkeiten zu Berufen aus. Hausarbeit und Erwerbsarbeit trennten sich, „das heißt, auch ehemals weibliche Arbeitsbereiche wurden zu außerhäuslichen, männlichen Einkommensquellen“, erklärte Angela Klein-Kohlhaas. Frauen arbeiteten in diesen Bereichen ohne Entgelt und zum Eigenbedarf weiter. So wirkten Frauen unter anderem im kirchlichen Umfeld der Paramenten-Vereine. Sie übernahmen aber auch weitere Zuarbeiten für die erwerbstätigen Männer.

Hausweber waren beispielsweise auf die Unterstützung der ganzen Familie angewiesen. „Sechs bis sieben Frauen waren mit Spinnen beschäftigt, um einen Weber mit Garn zu versorgen“, erklärte Klein-Kohlhaas. Kinder spulten das Garn auf.

Als Mitte des 19. Jahrhunderts die Kinderarbeit eingeschränkt wurde, holten die Betriebe vermehrt weibliche Arbeitskräfte in die Fabriken. Der Bedarf an Arbeiterinnen war so groß, dass sie zeitweilig aus dem Ausland angeworben wurden.

Die Textilproduktion in der industriellen Lohnarbeit ist auch heute ohne die weibliche Arbeitskraft nicht denkbar. Internationale Konzerne lassen Kleidung möglichst preisgünstig und mit großen Gewinnen rund um den Globus herstellen. „Frauen, die zum Teil unter erbärmlichsten Bedingungen leben und arbeiten müssen, sind die Hauptstützen dieser Produktion“, erklärte Angela Klein-Kohlhaas. Es gebe aber zaghaft die Entwicklung, dass Verbraucherinnen aus ökologisch-ökonomischer Sicht umdenken. Sie lehnen die Wegwerfmentalität ab und entwickeln Interesse am Trend des „Upcyclings“. Gebrauchte Textilien wandeln sie durch kreativ um und steigern sogar deren Wert.