Ungewöhnliche Geburtstagsfeier „Scheifes Änne“ besucht elterlichen Hof in Alpen-Veen

Kempen · Anna Rouenhoff blickt auf bewegte 105 Lebensjahre zurück. In der Region Kempen ist sie besser bekannt als Eierfrau oder Scheifes Änne. Eine geschäftige Frau, die sich auch in hohem Alter noch Träume erfüllt.

Ausflug zum elterlichen Hof in Alpen-Veen: Zu sehen sind (von links) Elisabeth Rouenhoff, Hellfrid Schmitz, Fahrer Klaus Simonsen, im Rollstuhl Anna Rouenhoff und Stephanie Schmitz.

Foto: Monika Thobe

Nicht vielen Menschen ist eine so lange Wegstrecke vergönnt: Am 26. Juli vollendet die Kempenerin Anna Rouenhoff ihr 105. Lebensjahr. Geboren wurde sie 1917 in Alpen-Veen bei Xanten als viertes von acht Kindern auf einem großen Bauernhof. Der Name „Scheifes Änne“, unter dem sie vielen bekannt ist, rührt von der Zeit her, als sie den Geschwistern Scheifes auf dem Bleikerhof in St. Hubert den Haushalt führte, dort wo heute der Aldi-Markt steht. 1958 wurde sie „Die Eierfrau“ auf dem Buttermarkt. 40 Jahre lang verkaufte sie auf dem Kempener Wochenmarkt Eier, Gemüse und Blumen.

Seit mehr als 20 Jahren lebt sie nun im Von-Broichhausen-Stift in Kempen. Dort bekommt sie wöchentlich Besuch von der Kempenerin Monika Thobe. „Die Änne“ sei mittlerweile sehr schwach und schlafe viel, berichtet sie. Aber sie liegt nicht im Bett, sondern sitzt im Rollstuhl und bewege sich noch dahin, wo sie es wolle. „Sie hat weiterhin ihren eigenen Kopf, und das liebe ich an ihr“, so die Freundin.

Früher soll sie 20 Eier
am Tag gegessen haben

Die Themen „Eier und Hühner“ waren immer zentral für Änne. „Im Ei ist das gesamte Leben“, so lautete einer ihrer Standardsätze. Früher habe sie sagenhafte 20 Eier am Tag gegessen, heute werden ihr „nur“ noch drei Stück täglich angeboten. Bis vor kurzem habe sie die noch mit großem Vergnügen verzehrt, doch jetzt habe der Appetit nachgelassen.

Es war ihr größter Wunsch und ist nun vielleicht das schönste Geschenk: noch einmal den elterlichen Hof in Alpen-Veen zu sehen. „Wenn ich da noch einmal hinkönnte“, hatte sie öfter geäußert. Besonders interessierte sie der große Garten, der von ihren Verwandten in ein grünes Paradies umgewandelt wurde und als „Kastaniengarten Veen“ bekannt ist. Vor wenigen Tagen, fand die Fahrt nun endlich statt. „Wir hatten schon Sorge, wie sie das überstehen wird“, berichtet Monika Thobe. „Änne, wir fahren jetzt zum Hof“, habe sie gesagt. Und die habe nur gemeint, dass sei jetzt aber eine Überraschung. „Sie war die ganze Fahrt über wach, so aufgeregt war sie innerlich“, erzählt die Freundin. Auf dem Hof wurde die kleine Gesellschaft von Ännes Nichte und deren Mann, Stephanie und Hellfrid Schmitz, empfangen. Auch eine andere Nichte, Elisabeth Rouenhoff aus Geldern, war extra hinzugekommen. „Die Änne hat nicht viel gesagt, aber immer geschaut“, erzählt Monika Thobe.

Die außergewöhnliche Persönlichkeit dieser Frau wurde bereits von vielen wahrgenommen und geschätzt. Unter anderem von der Kempener Fotografin Christel Kremser. Sie lernte Anna Rouenhoff Anfang der 1990er-Jahre nach einem Hinweis der Kempener Kunsthistorikerin Margret Cordt kennen. Der erste Besuch brachte sofort die Gewissheit: „Die Chemie stimmte, wir haben uns angefreundet.“ Christel Kremser durfte Anna Rouenhoff und ihr außergewöhnliches Haus, ein von ihr umgebauter Hofteil auf der Scheifeshütte in St. Hubert, fotografieren. Ein ganz eigenwilliges und absolut individuelles Anwesen, in dem sich heute eine Jugendhilfeeinrichtung der Diakonie befindet.

Die Fotos wurden 1994 im Kramer-Museum ausgestellt, der Bildband „Scheifes Änne – Die Eierfrau“ erschien. Jedes Foto wurde von ihr kurz knackig kommentiert. Zu einem Portrait etwa sagte sie: „Gleich fängt die Kröte an zu quaken.“ „Sie hat etwas ganz Besonderes“, sagt Christel Kremser über die Frau, mit der sie bis heute freundschaftlich verbunden ist. „Sie gestaltet ihre Wohnung, ihr Zuhause, so wie sie sich wohlfühlt.“ Das gilt auch für ihr Zimmer im von-Broichhausen-Stift, das Christel Kremser ebenfalls vor die Linse nahm. Die Fotos davon waren Grundlage einer Ausstellung im Kramer-Museum im Jahr 2019. Dorthin hat Anna Rouenhoff eine enge Verbindung. Vor ihrem Einzug in das Von-Broichhausen-Stift vermachte sie dem städtischen Museum die wertvollen Gründerzeit-Möbel, die sie von ihren früheren Arbeitgebern geschenkt bekommen hatte. Ein von Anna Rouenhoff selbst gewebter Teppich mit großen Blumenmotiven liegt bis heute in der Küche von Christel Kremser. „Ich liebe Persönlichkeiten, die ihr Leben leben, egal, was andere dazu sagen“, findet die Fotografin. Noch vor wenigen Tagen hat sie ihre Freundin besucht. „Sie hat nicht gesprochen, ich habe nur ihre Hand gehalten. Da ist gefühlsmäßig immer noch etwas da. Ich bin glücklich, diese Frau zu kennen.“