Handwerksbetrieb Weidenfeld Wie eine Bäckerei in Kempen mit der Krise umgeht: „Wir wollen noch ein bisschen!“
Kempen · Seit 25 Jahren führt Jürgen Weidenfeld seine Bäckerei in Kempen - wie er mit der Energiekrise umgeht und was er zu Gerüchten um eine mögliche Schließung sagt.
Wenn Jörg Weidenfeld über Gerüchte bezüglich einer möglichen Schließung seines Bäckerladens an der Judenstraße erfährt, dann reagiert der 54-Jährige gelassen. „Das höre ich 25-mal am Tag. Mich stört das nicht.“ Seine Frau sei schon bei Edeka darauf angesprochen worden, dass „sie es bald ja geschafft“ haben. Die klare Ansage des selbstständigen Handwerksmeisters lautet: „Da ist gar nix dran.“ Das Einzige, was er sicher sagen könne, ist, dass sein Betrieb zwischen dem 1. und dem 7. Januar 2023 Betriebsferien haben werde. „Bis jetzt ist nichts geplant“, schiebt er noch hinterher.
Im Augenblick könne er sich über Arbeit nicht beschweren. Gerade in Zeiten von Sankt Martin haben er und seine zehn Angestellten richtig zu tun. „Da haben wir die nächsten Tage Land unter“, macht der engagierte Bäckermeister deutlich. Und dazu kommen noch die Schulen und verschiedenen Kantinen, für die er seine Ware produziert. „Wir fangen jeden Abend um 23 Uhr an, ich könnte noch viel mehr machen“, sagt er.
Aber auch das finde seine natürlichen Grenzen. „Wir werden alle nicht jünger. Es gab keinen Tag die letzten 25 Jahren, wo ich nicht in meinem Betrieb war.“ Man treibe da schon oft Raubbau an seinem Körper, macht der Unternehmer deutlich, dass aber genau das authentische Selbermachen das sei, weswegen seine Kunden das Geschäft aufsuchen. „Wir sind ein Handwerksbetrieb, haben keine Brötchenstraße. Die Leute wissen das zu schätzen. Wir hatten mal 15, 16 Bäcker in der Stadt die gebacken haben.“ Das habe sich ganz grundlegend geändert. „Das ist schade, aber der Lauf der Zeit. Da hat das gesamte Handwerk ein Problem.“
Seit 1966 führt die Familie das Geschäft auf der Judenstraße
Das Thema hat aus seiner Sicht eine gesamtgesellschaftliche Dimension. „Diese Arbeit, die wir machen, die will keiner mehr tun. Ich habe eine Sechs-Tage-Woche. Das muss man lieben und dafür gerne aufstehen. Man muss Bäcker sein, da muss man zu stehen. Ganz oder gar nicht.“ Und für die Bäckerarbeit brauche es halt Personal. „Es wird immer Personal gesucht“, sagt Jürgen Weidenfeld. Er sucht auch.
Sein Vater übernahm das Geschäft auf der Judenstraße 1966, wo er schon früh mithalf. 1997 ging es darum, entweder das Café Peerbooms gemeinsam mit seiner Frau weiter zu führen oder die Bäckerei zu übernehmen. Es ging mit der Bäckerei weiter, das Café wurde an Oomen vermietet. „Das war auch im Nachhinein immer die richtige Entscheidung“, sagt der Geschäftsführer. Ohne seine bessere Hälfte Elke wurde das Ganze gar nicht funktionieren, unterstreicht er mehrmals. „Man muss schon eine positiv bekloppte Frau haben, die jede Nacht mit aufsteht, mit den Laden und die Regale einräumt, Bestellungen macht.“ All das seien Dinge, die man als Außenstehender nicht so bewusst mitbekommt. Aber die einfach dazugehören. „Einer alleine könnte das nicht stemmen. Wenn andere in die Stadt gehen, gehen wir um acht Uhr schlafen“, sagt sie. „Er steht um elf Uhr auf, ich um 2 Uhr.“
Wenn Unternehmen, die wie Kaufhof aus seiner Sicht weniger Zukunft haben, erneute Millionenbeträge als Unterstützung erhalten sollen, während seine Branche aber wegen der Energiepreise so mächtig unter Druck steht, da „muss ich mich schon zusammenreißen“, sagt er. Den Ärger darüber lässt er schon durchklingen, auch wenn er das Argument Arbeitsplatzsicherung total versteht. Einfach wie Wirtschaftsminister Robert Habeck im September sagen, man solle den Betrieb wegen der Kosten mal ruhen lassen, sorgt bei ihm nur für Kopfschütteln. „Dann sage ich also meinen zehn Angestellten: Bleibt doch mal vier Monate zuhause?“
Ungemütliche Zeiten für die Bäckerbranche
Dass die Zeiten nicht gemütlich für seine Branche sind, erlebt Weidenfeld selbst. Die Rohstoffpreise hätten sich verdoppelt, die Backmittellieferanten rechneten „von heute auf morgen“ mit bis zu 30 Prozent mehr. Da müsse man schon intelligent kalkulieren und die Preise anpassen. „Da können wir aber auch nicht übertreiben. Die Marge wird etwas kleiner, auf jeden Fall. Wir müssen halt abwarten, wie es weiter geht.“ Man verkaufe in diesem Jahr schon die Pöfferkes nicht mehr für 1,70 Euro, sondern für 1,90 Euro. „Die können wir aber nicht für 2,50 Euro verkaufen. Da muss man irgendwo auch die Kirche im Dorf lassen. Das ist ein heikles Thema.“
Was die Energiekosten anbetrifft, könne er momentan noch gar nicht so viel sagen. „Wir haben noch Verträge, die bis zum Jahresende laufen.“ Was danach dann komme, „da lassen wir uns überraschen.“ Auch Jörg Weidenfeld hat dafür keine Glaskugel parat. In jedem Fall zählt erst mal die klare Aussage: „Wir machen weiter, wir wollen noch ein bisschen.“