Mülhausen Argumentieren will gelernt sein
Mülhausen. · Der Debattierclub der Liebfrauenschule spricht über aktuelle politische Themen und schult, Gedanken sortiert zu formulieren.
Europa driftet mehr und mehr auseinander. Autokraten diktieren weltweit bei Twitter oder auf Militärparaden selbstherrliche Botschaften. Und in Parlamente verirren sich außer den Politikern höchstens noch ein paar Touristen. An der Liebfrauenschule Mülhausen ist wegen dieser Tendenzen bereits vor einiger Zeit ein Debattierclub eingerichtet worden. „Das ist eine Arbeitsgemeinschaft, in der die Schülerinnen und Schüler lernen, mit Worten umzugehen, für ihre Argumente einzustehen und eine Meinung zu vertreten“, beschreibt Lehrerin Alexandra Lochthowe.
Die Teilnehmer
sprechen auf Englisch
Dienstagnachmittags treffen sich in der Schulbibliothek ein Dutzend Heranwachsende im Alter zwischen 14 und 19 Jahren, um die hohe Schule des Diskutierens zu trainieren. Ihr Können unter Beweis stellen können die Jugendlichen in einer Art Wettbewerb. Der nennt sich „Model United Nations“ und findet auf regionaler Ebene im Schloss Neersen statt. Aber auch auf europäischer Studentenebene haben die Liebfrauenschüler bereits in Maastricht bewiesen, dass ihre Stimme im Nachwuchsparlament Gewicht hat.
„Diese AG ist umso wichtiger geworden, weil in Kürze die Europawahl ansteht, die unsere Schüler brennend interessiert. Drei aus der Arbeitsgemeinschaft sind auch schon stimmberechtigt“, sagt Maike Schwich, die sich die AG mit Alexandra Lochthowe aufteilt.
Heute geht es in der Bibliothek um das Thema „Vereinigte Staaten von Europa“. Jeder der acht Schüler am Tisch vertritt ein Land und eine Position. Es gibt Befürworter, aber auch Gegner des gemeinsamen europäischen Gedankens. „What about the integration of the countries in the United States of Europe?“, fragt Anton Gehnen in die Runde. Alles läuft – wie in den echten Parlamenten in Brüssel, Straßburg, New York oder Maastricht – auf Englisch ab. Der 17-Jährige aus Oedt ist so etwas wie der Chairman, der die Runde leitet.
Zunächst trauen sich nur die Älteren, das Wort zu ergreifen. Niklas Erkes (18) stellt gestenreich die Frage, ob die einzelnen Länder sich tatsächlich mit einem Gebilde wie den Vereinten Staaten von Europa abfinden würden. Felix Tilgner (18) zieht die ökonomische Karte und hinterfragt, ob reiche Länder wie Deutschland die ärmeren wie Griechenland, Italien oder Spanien auffangen würden.
Nach jeder noch so ernsten Debatte gibt es ein Lächeln
Nach spätestens 20 Minuten gehen auch Jüngere wie Leo Loetzke (14) aus sich heraus und diskutieren in wohlgeformten englischen Sätzen mit. Corey Frazier (19), Austauschschülerin aus Alaska, wirft immer wieder ihre Erfahrungen mit den United States of America in die Debattierrunde. Jan Fenten (14) muss sich nicht zweimal bitten lassen, nun das Wort zu ergreifen. Nach einer halben Stunde hat sich die Runde fast in Rage geredet, einige Wangen sind gerötet, so dass Anton hier und dort eingreifen muss: „Okay, that‘s enough.“ Hitzig wird‘s aber nicht, immer obsiegt am Ende ein Lächeln oder eine lustige Bemerkung.
Arne von Laguna (14) und Carolin Hartwig (14) halten sich heute eher zurück. Kürzlich in Neersen, beim „Model United Nations“ zum Thema „Militarisierung der Arktis“, haben sie sich über die Länder eingebracht, die ihnen zugeordnet waren. „Ich habe das Thema Umwelt aus Sicht der Iren beleuchtet“, sagt Carolin. „Bei mir war problematisch, was ein Land wie Südafrika zur Militarisierung der Arktis beitragen könne“, berichtet Arne und kratzt sich am Hinterkopf.
„Man sieht, der Debattierclub macht erfinderisch, selbstbewusst und schult, die Gedanken sortiert zu formulieren“, sagt Alexandra Lochthowe. Für den neuen Debattierclub ab dem kommenden Schuljahr wünscht sie sich wieder so aufgeschlossene Schüler wie diesmal: „Drei machen schließlich Abitur, da brauchen wir Nachschub.“ Die AG empfiehlt sich insbesondere für die Bilinguale Klasse, in der Englisch ohnehin Standardsprache im Unterricht ist. akü