Nach der Wahl Der Rat, die Posten und die Ausschüsse
Kempen · Die Herausforderungen für Kempen sind groß. Und der neue Stadrat ist auch groß. Jedenfalls größer als der jetzige: Statt 44 wird es ab November 50 Sitze im Kommunalparlament geben. Das ist der Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht geschuldet, die laut Verfassung festgeschrieben ist.
Der CDU stehen 20 Mandate zu, weil die Partei alle Wahlkreise gewonnen hat. Der Anteil der absoluten Stimmen ist jedoch kleiner geworden, weshalb die anderen Fraktionen mehr Sitze bekommen.
So verzeichnen die Grünen mit nun elf Mandaten ein Plus von fünf, die SPD verliert zwei Sitze und hat neun, die FDP hat bei vier Sitzen ein Mandat gewonnen. Die Freien Wähler bleiben bei zwei Mandaten. Ebenso auf zwei Sitze kommen die neue Gruppierung ÖDP-BIKK. Die Linke verliert einen Sitz und ist nur noch mit Günter Solecki vertreten. Neu im Rat mit einem Mandat ist die AfD.
Die Zahl 50 führt nun dazu, dass die aktuelle Tischanordnung im Ratssaal nicht mehr funktionieren wird. „Dazu ist der Saal zu klein“, bestätigt der scheidende Bürgermeister Volker Rübo der WZ. Für eine Lösung habe die Stadt aber noch Zeit. „Mit Blick auf die Corona-Auflagen gehe ich davon aus, dass es ohnehin noch lange dauern wird, bis der Ratssaal wieder für Ratssitzungen genutzt werden kann“, so Rübo. Jüngst tagte der Rat im St. Huberter Forum. Für die nächste und letzte Sitzung der laufenden Legislatur am 6. Oktober ist das PZ des Thomaeums vorgesehen. Ebenso für die erste Sitzung der neuen Ratsperiode am 3. November.
Bis zu diesem Datum muss also das Platzproblem noch nicht gelöst sein. Inhaltlich müssen Politik und Verwaltung aber bis dahin eine ganze Menge geklärt haben. Wie viele und welche Ausschüsse soll es geben? Wer übernimmt die Posten der drei Vize-Bürgermeister? Und wie sieht es personell in den einzelnen Fraktionen aus? Diese Fragen müssen in den nächsten Wochen beantwortet werden.
Eine erste Sondierung soll noch der alte Stadtrat – beziehungsweise dessen Ältestenrat – am 21. September vornehmen. Für diesen Tag hat Bürgermeister Rübo das informelle Gremium zusammengerufen, um einen ersten Austausch vorzunehmen. „Für die Verwaltung kann ich nur sagen, dass wir uns in einer beratenden und vorschlagenden Funktion sehen“, so Rübo. „Die Details müssen die Fraktionen unter sich klären – und selbstverständlich muss das dann mit dem neuen Bürgermeister abgestimmt werden.“ Wer das wird, steht bekanntlich erst am 27. September nach 18 Uhr fest. Und es ist zu erwarten, dass die Fraktionen erst dann intensiv in den Austausch gehen, wenn feststeht, ob Philipp Kraft (CDU) oder Christoph Dellmans (SPD/Grüne) das Spitzenamt übernehmen wird.
Ob der Einladung für den 21. September wittert indes Günter Solecki (Die Linke) schon einen Skandal. Der alte Bürgermeister wolle der CDU noch in der laufenden Legislaturperiode den Weg bereiten. Rübo bezeichnete diesen Vorwurf gegenüber der WZ als „bodenlos“. Das Verfahren inklusive des Termins am 21. September sei mit den Fraktionen offen abgestimmt worden.
Vize-Bürgermeister:
Drei Posten sind zu vergeben
Worum wird es nun in den nächsten Wochen gehen? Zum einen um die Besetzung der drei Vize-Bürgermeisterposten. Eine Entscheidung, zu der sich die Fraktionen aber sicher erst nach der Stichwahl öffentlich äußern werden. Derzeit stellt die CDU mit Otto Birkmann und Hans-Peter van der Bloemen die ersten beiden Vertreter. Irene Steeger (SPD) hat den dritten Vize-Posten inne. Sie und Otto Birkmann werden dem neuen Stadtrat nicht mehr angehören. Dieser Fakt und die neuen Mehrheitsverhältnisse werden bei diesen repräsentativen Ämtern zu neuen Gesichtern führen.
Mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse ist klar, dass die CDU den ersten Stellvertreter des Bürgermeisters stellen wird. Es wäre sicher keine Überraschung, wenn Hans-Peter van der Bloemen den Posten von Otto Birkmann bekommt. Die anderen beiden Vertreter-Positionen dürften auch der CDU und der neuen zweitstärksten Kraft – den Grünen – zufallen. Namen hört man in diesem Zusammenhang offiziell noch nicht. Dass die Grünen aber eine Frau ins Rennen schicken werden, ist nicht unwahrscheinlich. Kandidatinnen sind Monika Schütz-Madré (Listenplatz 1 der Partei) und Nicole Brumme (Parteivorsitzende).
Wie sollen die neuen
Ausschüsse aussehen?
Für große Diskussionen dürften die Mehrheitsverhältnisse in den Ausschüssen und die Entscheidungen zu den jeweiligen Ausschussvorsitzenden sorgen. Zunächst muss unter anderem geklärt werden, ob den „Zweisitzern“ Freie Wähler (FWK) und ÖDP-BIKK Positionen in den Ausschüssen zustehen. Eigentlich gilt eine Gruppierung erst ab drei Sitzen als Fraktion. Für die laufende Periode hatte die Politik aber die Lösung gefunden, dass die Zwei-Mandats-Gruppierungen FWK und Linke sich jeweils die Ausschussposten mit Rede- und Stimmrecht aufgeteilt haben. Sicher auch eine denkbare Lösung für FWK und ÖDP-BIKK. Keine Rolle mehr in den Ausschüssen wird Linken-Chef Solecki spielen. Er wird als Einzelkämpfer nur noch an den Ratssitzungen teilnehmen. Gleiches gilt für Neuling Peter Müller (AfD).
Thematisch wird sich bei den Ausschüssen sicher auch einiges ändern. So sind Politik und Verwaltung mit der 2014 beschlossenen Trennung von Bau- und Denkmalausschuss nicht zufrieden. Diese war damals ob des öffentlichen Drucks – unter anderen wegen der Entscheidung „Peterstraße 20“ – zustande gekommen. Gut möglich, dass Bauen und Denkmal wieder zueinander finden. Spannend dürfte die Debatte um das Thema Klimaschutz werden. Denn mit Grünen und ÖDP-BIKK stehen gleich 13 Mandatsträger offensiv für dieses Thema ein. Und abgesehen von der AfD ist der Klimaschutz ja auch für die anderen Fraktionen ein Programmpunkt auf lokaler Ebene. Gut möglich also, dass über einen eigenen Klimaschutz-Ausschuss gesprochen wird. Derzeit wird das Thema im Ausschuss für Umwelt, Planung und Klimaschutz (UPK) abgedeckt.
Intern geht es in den Fraktionen um die Vorstandsposten
Neben den grundlegenden Spielregeln für Rat und Ausschüsse befassen sich die Fraktionen intern mit ihren Personalien. Es wird darum gehen, wer die Fraktionen anführen wird. Bei den Grünen gab es am Mittwochabend die konstituierende Sitzung der nun elfköpfigen Fraktion. Um die größere Gruppe zu führen, dürfte Erfahrung gefragt sein. Diese wiederum kann der langjährige Ratsherr Joachim Straeten (seit 2012 Fraktionschef) aufweisen.
Auch die CDU-Fraktion trifft sich in diesen Tagen. Dort will Jochen Herbst, der im Oktober auf Wunsch von Parteichef Philipp Kraft die Fraktionsführung von Wilfried Bogedain übernommen hat, erneut kandidieren. Unter den vier FDP-Ratsherrn dürfte klar sein, dass Spitzenkandidat Cedric Franzes den Fraktionsvorsitz von der scheidenden Irene Wistuba übernimmt.
Eine „offene Beratung“ hat Parteivorsitzender Stefan Kiwitz für die Fraktion der Sozialdemokraten angekündigt. Mit Blick auf das schlechte Wahlergebnis dürften die Debatten innerhalb der SPD etwas länger dauern als in anderen Fraktionen. Amtierender Vorsitzender der Fraktion ist Andreas Gareißen.
Eine ausführliche Übersicht mit allen 50 Kempener Ratsmitgliedern finden Sie auf Seite 26.