Grefrath/Krefeld: Stolperstein für einen Oedter Erinnerung an Nazi-Opfer aus Grefrath

Grefrath/Krefeld · Im Gedenken an den Homosexuellen Johannes Winkels wird demnächst in Krefeld ein Stolperstein verlegt. Dort hatte er vor seiner Deportation seine letzte Adresse.

 Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt an vielen Orten Stolpersteine. Mit ihnen wird an Bürger erinnert, die Opfer des nationalsozialistischen Systems wurden.

Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt an vielen Orten Stolpersteine. Mit ihnen wird an Bürger erinnert, die Opfer des nationalsozialistischen Systems wurden.

Foto: dpa/Harry Härtel

In Erinnerung an einen Grefrather wird am 9. Februar ein Stolperstein in Krefeld verlegt. Denn der Homosexuelle Johannes Winkels wurde von den Nationalsozialisten verfolgt und 1943 im KZ Dachau ermordet. Die Initiative zur Verlegung sowie die Recherchen zum Opfer kommen von Jürgen Wenke, einem Diplom-Psychologen aus Bochum. Bereits im vergangenen Jahr gab es einen Stolperstein für den wegen seiner sexuellen Orientierung verfolgten Peter Jöcken aus  Anrath in Krefeld. Dieser Stein wurde am letzten Wohnort der Ermordeten verlegt. Bei Winkels ist das nun genauso. Es geht um die St.-Anton-Straße.

Als Sohn des Postboten Johann Heinrich Winkels geboren

Johannes Winkels wurde am 8. Mai 1907 in Grefrath geboren. Sein Vater war der Postbote Johann Heinrich Winkels (1873-1955) und  seine Mutter Barbara Luzia Winkels, geborene Faber (1866-1934). Johannes Winkels war das jüngste von vier Kindern: Peter Winkels (1902-1962), ein Bruder und eine Schwester starben im gleichen Jahr der Geburt. Peter Winkels wurde Schmied und hatte eine Tochter.  Zwei Kinder dieser Nichte von Johannes Winkels konnte Jürgen Wenke ausfindig machen. Sie hatten ihren Großonkel nie kennengelernt. „Nach persönlichen Erinnerungen wurde in der Familie nicht über Johannes Winkels gesprochen, aber es sei überliefert worden, dass er wegen ,Homophilität‘ unter Hitler vergast wurde. Die Nachkommen des Bruders von Johannes begrüßten die Stolpersteinverlegung zur Würdigung des Großonkels“, schreibt Wenke.

Johannes Winkels wohnte nach dem Tod der Mutter 1934 beim Vater an der Oststraße 20 (heute Stadionstraße). Noch existierende Meldeunterlagen belegen, dass Johannes Winkels am 14. Dezember 1937 nach Krefeld zog und zunächst in einem Mehrparteienhaus am Westwall 92 wohnte. Nach dem 22. Februar 1938 lebte er im Haus Nr. 68 an St.-Anton-Straße. Dort hat er, so Wenke, alleine gelebt. Doch schon ein Jahr später begann die Verfolgung des Grefrathers. Wenke fand eine Karteikarte aus dem Gefängnis Wuppertal mit dem Eintrag: Am 9. März 1939 wurde der Schneider Winkels in Krefeld vom Gericht zu zwei Jahren Gefängnis wegen ,widernatürlicher Unzucht’ verurteilt. Zuvor hatte er 110 Tage in Untersuchungshaft gesessen, die auf die Haftzeit angerechnet wurde. Durch diesen Umstand verlor Winkels seine Wohnung und damit den letzten Wohnsitz.

„Die Anrechnung der Untersuchungshaft geschah in der Regel dann, wenn die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft durch ein ,Geständnis‘ bestätigt wurden“, schreibt Wenke. Genaueres über Verhöre, Folter, polizeiliche Ermittlungen oder ein Urteil gibt es nicht. Doch Wenke vermutet aufgrund der langen U-Haft, dass die Gestapo akribisch und umfangreich ermittelt hatte. Vom Gerichtsgefängnis Krefeld, in dem er während der U-Haft war, wurde Johannes Winkels am 13. März in das Gefängnis Wuppertal überführt. Auch das geplante Ende der Haft wurde vermerkt, wonach Winkels am 23. November 1940 entlassen werden sollte. Vom Gefängnis Wuppertal wurde er bereits am 25. Mai 1939 in das Gefängnis nach Anrath gebracht. Am 9. September 1939 ging es weiter ins Gefangenenlager Rodgau I bei Dieburg in Hessen zur Zwangsarbeit. Dort ist er laut Unterlagen am 18. November 1940 entlassen worden.

Danach war Johannes Winkels in Hessen noch mit einer Wiesbadener Anschrift vermerkt. „Eine Rückkehr nach Krefeld war aufgrund des dortigen Wohnungsverlustes und der damaligen Verhaftung sicherlich undenkbar“, vermutet Wenke. Es könnte auch sein, dass Winkels aufgrund der miserablen Haftbedingungen in schlechtem Gesundheitszustand und nicht reisefähig war.

Winkels befand sich, so die Recherchen, nur wenige Wochen in Freiheit: Am 11. Februar 1941 wurde er im KZ Sachsenhausen als Häftling Nr. 35787 in der Kategorie „Berufsverbrecher“ geführt. „Diese sogenannte ,polizeiliche Vorbeugehaft‘ ohne ein gerichtliches Verfahren oder neue Verurteilung führte unmittelbar ohne Beschluss durch ein Gericht zur Deportation in das Konzentrationslager Sachsenhausen.  Die polizeiliche Maßnahme der Vorbeugehaft war Folge eines Erlasses des SS-Reichsführers und Chefs der deutschen Polizei, Heinrich Himmler“, so Wenke. Der habe am 12. Juli 1940 verfügt: „Ich ersuche, in Zukunft Homosexuelle, die mehr als einen Partner verführt haben, nach der Entlassung aus dem Gefängnis in polizeiliche Vorbeugehaft zu nehmen.“

Himmlers Befehl machte
die Freiheit unmöglich

Dieser Befehl  hätte zur Folge gehabt, dass  „Vorbeugehäftlinge“ nicht mehr in Freiheit kamen. Sondern vielmehr starben „durch Erschießung bei angeblichen oder von der SS inszenierten Fluchtversuchen oder durch Folter oder langsame Auszehrung aufgrund Unterernährung bei katastrophalen hygienischen Bedingungen verbunden mit schwerster Sklavenarbeit“, folgert Wenke. Das sei auch das Schicksal von Johannes Winkels gewesen.

Es  sei wahrscheinlich, dass Winkels bei Einlieferung in Sachsenhausen  zunächst an seiner Häftlingskleidung für jeden sichtbar einen sogenannten „Grünen Winkel“ trug, ein Hinweis auf eine kriminelle Vergangenheit. Diese sowie die politischen Häftlinge hätten  in der Hierarchie meist an oberster Stelle gestanden. Anders  als Juden und Homosexuelle (mit dem rosa Winkel). Sie seien häufiger Schikanen und Gewalt ausgesetzt gewesen.

Von Sachsenhausen ging es für Winkels am 21. Mai 1941 in das KZ Natzweiler im Elsass. Auf der Transportliste dorthin wurde Winkels als „BV 175“ kategorisiert. Wenke: „Es ist wahrscheinlich, dass er nunmehr den ,Rosa Winkel‘ der Homosexuellen an der Häftlingskleidung tragen musste. Das Kürzel „BV 175“ hat die Bedeutung: ,Berufsverbrecher nach §175‘.“  Vom Elsass wurde Winkels am 5. Dezember 1942 in das KZ Dachau bei München deportiert. Wenke: „Dort wurde er ermordet am 17. Februar 1943, angebliche Todesursache ,Versagen von Herz und Kreislauf bei Unterleibstyphus.’“

Dank der Recherche von Wenke wurden bereits mehrere Stolpersteine für von Nazis getöteten Homosexuellen in NRW verlegt. Mehr dazu im Internet: