Neues Album von Sonja Kandels „13 Songs, die mich bewegen“

Kempen · Am Sonntag, 29. Oktober, stellt die Musikerin Sonja Kandels bei einem Konzert in Kempen ihr aktuelles Album „Express Your Life“ vor. Wir trafen sie vorher bei einer Probe.

Ihr drittes Album sei ihr Lebenswerk, sagt die Kempener Musikerin Sonja Kandels.

Foto: Dieter Mai

Bei der Gesangsprobe, zu der sich Sonja Kandels heute mit ihrem Pianisten und den drei Background-Sängerinnen getroffen hat, wird ganz ohne Verstärker gearbeitet. Zur Orientierung und für das Tempo spielt die Kempener Musikerin kurz ein Stück auf dem Laptop an, Pianist Robert Niegl greift Melodie und Akkorde auf, die Sängerin stimmt ein, und auch der Chor kommt nun dreistimmig in den Groove. „Mama Wopé“ ist eines der Stücke vom neuen Album „Express Your Life“, das in gut einer Woche im Kolpinghaus in Kempen vorgestellt wird.

Die vier Frauen und der Pianist sind jetzt im Flow und performen den rhythmisch komplexen Song in Baka, der afrikanischen Sprache, die in Kamerun gesprochen wird. Beim darauffolgenden „Move On Up“ wird noch einmal das Arrangement durchgesprochen: Wer singt welche Stimme? Wo darf improvisiert werden? Das Stück vereint viele Aspekte, die heute die Musik Sonja Kandels’ ausmachen: Afrikanische Rhythmik und Sprechgesang treffen da auf jazzigen Groove und eine Prise Pop.

Sonja Kandels beschreibt ihr drittes Album als ihr Lebenswerk: „Es enthält 13 Songs, die mich bewegen, mein Leben beschreiben.“ Ein Leben, das nach vielen Wendungen, einer Kindheit in Kamerun und Niger als Tochter eines Entwicklungshelfer-Ehepaares und zuletzt zwölf Jahren als Lehrerin in Kempen und Wachtendonk aktuell erneut die Musik in den Fokus nimmt. Bereits in den 2000er-Jahren war Sonja Kandels als professionelle Musikerin unterwegs, spielte 2007 in Eltville beim Afrika-Forum vor dem damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler und trat mit verschiedenen Bandprojekten auf Festivals wie der Jazz Rally Düsseldorf, dem Viersener Jazzfestival und den Internationalen Jazztagen Leipzig auf.

Nach dem Abitur im Kempener Thomaeum war sie als Au-pair in Paris, später verdingte sie sich als Bühnenhelferin und schrieb sich schließlich an der Alanus Hochschule in Alfter für ein Studium der Malerei ein. Mit dem anschließenden Aufbaustudium Pädagogik erwarb sie die Befähigung, als Lehrerin zu arbeiten.

Den Berufsweg als Pädagogin schlug sie da aber noch nicht ein, sondern ging stattdessen nach Berlin, wo sie an der Hanns-Eisler-Musikhochschule erfolgreich ein Studium im Fach Jazzgesang absolvierte. Nach der Gründung ihrer ersten Band gewann sie den Bundes-Nachwuchs-Wettbewerb und erlangte mehrere Stipendien. Diese führten sie erneut nach Paris und zurück nach Afrika, wo sie mit Musikern aus Senegal und Kamerun
arbeitete.

Später ermöglichte ein weiteres Stipendium Sonja Kandels die Verwirklichung eines lang gehegten Traums: einer musik-ethnologischen Studienreise zu den Baka-Pygmäen im Urwald zwischen Kamerun und Kongo. Die polyrhythmischen und polyphonen Strukturen der Musiktradition der Pygmäen, die zeitgenössische Musiker von György Ligeti bis Steve Reich inspiriert haben, zogen auch die Kempener Musikerin in ihren Bann und wurden zu einem Baustein ihrer vielschichtigen musikalischen Welt. „Rhythmik und mehrstimmiger Gesang fügen sich da auf einmalige Weise ineinander wie ein gewebter Teppich“, beschreibt Sonja Kandels die Faszination dieser
Musik.

Im Spannungsfeld zwischen westlich geprägter und afrikanischer Musik fühlt sich Sonja Kandels wohl und versucht, das Beste aus diesen zwei Welten zu vereinen. Sie sagt: „Die an westlichen Hochschulen ausgebildeten Musiker brauchen ihre exakten Noten, um sich in der Musik sicher zu fühlen. Die Stärke der Afrikaner beim Musizieren liegt in ihrer Fähigkeit zum intuitiven Miteinander. Bei den Proben meiner Band und bei unseren Konzerten kommen beide Auffassungen zusammen. So entsteht eine ganz besondere Energie, die alles Trennende überwindet.“

Für aktuelle Bestrebungen, im Zuge einer übersteigerten Political Correctness die Ausübung fremder Kulturtechniken zu verdammen, zeigt Sonja Kandels wenig Verständnis. „Den Vorwurf der ‚kulturellen Aneignung‘ finde ich völlig deplatziert. Die Beschäftigung mit fremden Kulturen und das Experimentieren mit deren Stilmitteln kann in der Kunst immer nur zu einer Bereicherung führen. Wichtig ist, authentisch zu sein.“ Dieser Auffassung sei sie auch bei ihren Afrika-Aufenthalten stets begegnet: „Wenn ich da mit meiner Band abends im Institut Francais aufgetreten bin, sprachen mich am nächsten Tag oft Einheimische an, die mir von Herzen dafür gedankt haben, dass ich ihrer Kultur Respekt
erweise.“

Die Arbeit an ihrem aktuellen Album parallel zu ihrer Tätigkeit als Lehrerin war eine nicht geringe Herausforderung. „Jetzt weiß ich endgültig, wie das geht“, erklärt Sonja Kandels lachend und ergänzt: „Ich bin sehr froh über Robert Niegls Hilfe bei der Koordinierung und der Produktion des Albums.“ Zugleich kann sie der Doppelbelastung durchaus Positives für ihr musikalisches Schaffen abgewinnen: „Chefin sein in der Klasse ist ein wenig wie Chefin sein in der Band.“