„Loben statt toben“ Fußballvereine werben bei Eltern für Fairness am Spielfeldrand

Kreis Viersen · Kinder in ganz Deutschland wenden sich in den kommenden Tagen mit einer Bitte an ihre Eltern: Sie sollen am Spielfeldrand fair bleiben – und loben, nicht toben. Eine wichtige Vorbildfunktion komme den Trainern zu.

Die Unicef-Kickerinnen des FC St. Hubert, hier im Stadion von Bayer 04 Leverkusen, machen mit den grünen Karten auf das bundesweite Projekt „Fair bleiben, liebe Eltern" aufmerksam.

Foto: Karl-Heinz Josten

Auseinandersetzungen auf Fußballplätzen machen im Seniorenbereich traurigerweise regelmäßig die Runde. Aber auch bei Jugendspielen geht es nicht immer beschaulich zu. Wo die Basis eines fairen Miteinanders gelegt wird, sind es häufig übermotivierte Eltern, die Jugendvorständen und ehrenamtlichem Trainerdasein zu schaffen machen. Besonders betroffen sind aber die Kinder, denen vor allem in den jüngeren Jahrgängen der Spaß am Spiel genommen wird. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nimmt das an diesem Wochenende zum Anlass, darauf aufmerksam zu machen. Die Aktion „Fair bleiben, liebe Eltern“ soll dafür sensibilisieren, was ein faires Verhalten neben dem Platz ausmacht.

Das Thema beschäftigt natürlich auch die hiesigen Vereine in unterschiedlicher Ausprägung. Beim SSV Grefrath ist Lukas Tölle seit zwei Jahren Jugendleiter. In seiner Amtszeit gab es bisher keinen nennenswerten Zwischenfall: „Mit ist kein Vorfall bekannt. Ich glaube, wir sind ganz verwöhnt, was die Elternschaft betrifft. Wir haben einen guten Draht zu den Eltern gefunden, was wir als Verein im Miteinander und Vereinsleben erwarten. Ich hoffe, das bleibt auch so.“

In einer Maßnahme sieht der 31-Jährige einen Faktor, warum sich die Situation rund um das Spiel gebessert hat: „Mittlerweile stehen die Eltern hinter dem Stankett. Das war zu meiner Jugendzeit nicht so. Da standen sie zum Teil auf dem Feld.“ Tölle blieb nur ein Ereignis in Erinnerung, das im Zusammenhang mit dem Verhalten eines Trainers stand: „Im letzten Jahr mussten wir erstmalig bei einem Jugendturnier eine Mannschaft ausschließen. Deren übermotivierter Trainer ist auf den anderen Trainer losgegangen.“

Während in Grefrath die Welt noch in Ordnung ist und aufgrund der geringeren Anzahl an Jugendmannschaften eine intensivere, direkte Kommunikation möglich ist, hat der SC St. Tönis mit seinen 23 Mannschaften eine größere Aufgabe vor der Brust. Zumal er Mannschaften beherbergt, die leistungsorientierter trainiert werden. Ralf Horster, Leiter der Junioren-Abteilung, beobachtete in den vergangenen Jahren eine Veränderung: „Das alles ist kein neues Phänomen. Aber es hat eine andere Qualität bekommen. Es ist rabiater und persönlicher geworden. Auch Drohungen gab es schon.“

Vorfälle gäbe es ab der E-Jugend. Immer da, wo der Leistungsgedanke anfange, es um Punkte, Tore und Meisterschaften gehe. Frisch vor Augen hat Horster auch noch ein nicht zu tolerierendes Fehlverhalten eines Jugendspielers, das spürbare Konsequenzen nach sich gezogen habe.

„Wir haben den Vater in seinem Beisein eingeladen und den Jungen für sechs Monate aus dem Trainingsbetrieb genommen.“ Beim SC tut man viel dafür, Eltern, Nachwuchskicker und Trainer in ein gemeinsames Boot zu holen. Bereits bei der Anmeldung erhalten Neuzugänge ein Heftchen, in dem die Werte des Vereins vermittelt werden. Derzeit arbeiten die Verantwortlichen an einer modifizierten Neuauflage des Konzepts, das sich an alle Beteiligten richtet.

Mit 26 Jugend-Mannschaften setzt der SV Thomasstadt Kempen noch einen drauf. Jugendleiter Heinz-Peter Brux ist die Problematik auch nicht fremd, zeichnet aber insgesamt ein freundliches Bild: „Was das Verhalten der Eltern angeht, leben wir in Kempen und im Kreis in einer gewissen Glückseligkeit. Ich weiß, dass es in anderen Kreisen schwieriger ist.“ In den Trainern sieht Brux einen wesentlichen Faktor für ein präventives Vorgehen: „Wir machen vier Mal im Jahr eine Trainersitzung und weisen darauf hin, dass die Trainer eine Vorbildrolle haben. Es geht ja schon damit los, dass unser Trainer den anderen Trainer mit Handschlag begrüßt.“

Wie alle anderen Vereine sieht man auch beim VfL Tönisberg kritisch, dass vereinzelte Eltern eine zu hohe Erwartungshaltung an Trainer und den eigenen Nachwuchs haben – und das auch lautstark adressieren. Jugend-Geschäftsführer Simon Hellenthal-Sikon begrüßt ebenfalls, dass das Drumherum mittlerweile vom Geschehen auf dem Platz etwas weiter entfernt stattfindet: „Das ist wichtig, um den Kindern den Druck zu nehmen.“ So werden die Spielfelder schon einmal verlagert, wenn die Sportanlage keine Möglichkeit der Distanz bietet. Handfeste Probleme gab es bisher nicht. „Es sind Einzelfälle. Und wenn, haben wir denjenigen freundlich gebeten, zu gehen“, berichtet Hellenthal-Sikon, der ebenfalls in den Trainern eine wichtigen, deeskalierenden Baustein sieht: „Sie bekommen Vorgaben von uns an die Hand. Vor allem hinsichtlich der Kommunikation. Das ist sehr wichtig.“

Mit einer Regeländerung will auch der DFB seinen Beitrag dazu leisten, dass die jungen Kicker ihren Spaß am Fußball behalten und nicht demotiviert dem Sport den Rücken kehren: Ab der Saison 2024/25 sollen von den Bambini bis zur E-Jugend neue Spielformen Einzug halten, die das bisherige klassische Format der Meisterschaft ablösen. Sieger und Verlierer wird es nicht mehr geben. Ein Ansinnen ist dabei, die Individualität zu fördern und auch schwächeren Spielerinnen und Spielern mehr Einsatzzeiten zu ermöglichen, weil es am Ende des Tages auch aus Trainersicht nicht darum geht, ein Spiel gewinnen zu müssen oder den eigenen Ehrgeiz zu befriedigen. Die Reform an sich ist  in Fachkreisen allerdings nicht
unumstritten.