Naturdenkmal im Kreis Viersen als Symbol für Jugend und Schönheit Die Moorbirke ist der Baum des Jahres

Serie | Kempen · Die Moorbirke muss erhalten bleiben. Im Schadbruch zwischen St. Hubert und Tönisberg ist die mittlerweile selten anzutreffende Birke noch zu finden.

Im Schadbruch in St. Hubert: Die Moorbirke ist Baum des Jahres. Landschaftsarchitekt Matthias Nickel vom Kreis Viersen erkennt die Bäume an den Knospen.

Foto: Kurt Lübke

. Für den Laien ist der Unterschied zwischen einer Moor- und einer Sandbirke nahezu nicht zu erkennen. Auf den ersten Blick scheint es keine deutlich sichtbaren Differenzierungen zu geben. Man muss genau hinschauen, wenn man im Schadbruch an der Toten Rahm zwischen St. Hubert und Tönisberg unterwegs ist, um eine Moorbirke identifizieren zu können. „Die Knospen der Moorbirke sind leicht behaart. Zudem ist ihr Habitus sparriger als der einer Sandbirke. Deren Äste bilden eher den typischen Wuchs als Hängeform. Moorbirkenäste gehen eher senkrecht vom Stamm ab und bleiben auch am Ende gerade anstatt mähnenartig herab zu hängen“, erklärt Matthias Nickel, Landschaftsarchitekt der Unteren Naturschutzbehörde vom Kreis Viersen.

Ist das Blattwerk vorhanden, fällt die Differenzierung leichter. Die Moorbirkenblätter sind rundlich bis eiförmig. Sie verfügen über kleine, gleichförmig angeordnete Zähne. Sandbirkenblätter sind eher dreieckig. Im Vergleich zur Sandbirke sind die einjährigen Triebe, Blätter und Rinde bei den jungen Pflanzen ebenfalls von einem zarten Haarflaum überzogen. Daher ist die Moorbirke auch unter den Namen Haar-Birke, behaarte Birke oder Flaumbirke bekannt. Die Moorbirke ist in diesem Jahr zum Baum des Jahres gekürt worden. Das hat dabei eher einen nachdenklich stimmenden Hintergrund.

Der Baum hat den Titel erhalten, um auf die kritische Lage der Moore in Deutschland hinzuweisen. Ausbleibende Niederschläge und der Anstieg der Jahresmitteltemperaturen im Zuge des Klimawandels haben negative Auswirkungen auf die Wasserbilanz und damit auf die naturnahen Moore. Sie trocknen aus und verschwinden. So entfällt auch der Lebensraum für die Moorbirke. Noch gehört die Moorbirke zwar nicht zu den Pflanzen auf der Roten List, aber ihr Rückgang schreitet mit großen Schritten voran – auch im Schadbruch. Ihren Platz nimmt die Sandbirke ein, die mit Trockenheit besser zurechtkommt und nicht wie ihre Verwandte feuchte Böden zum Wachstum braucht.

Mit ihren bis zu 20 Meter langen Seitenwurzeln schafft es die Moorbirke die feuchten bis staunassen Niedermoore, Auwälder und sauren Moore zu besiedeln. „Im Kreis gehören der Schadbruch, die Bruchgebiete in Grefath und Mülhausen sowie das Boschbeektal in Niederkrüchten, direkt an der niederländischen Grenze gelegen, zu den Orten, wo die Moorbirken noch anzutreffen sind“, berichtet Nickel. Die Moorbirke gilt als die nördlichste Baumart Europas, der Kälte nichts ausmacht. Selbst Wintertemperatur von unter Minus 33 Grad verursachen keine Vitalitätseinbußen. Harze helfen ihr, mit diesen Temperaturen fertig zu werden.

Fällt Schnee, verfügt der Baum über einen weiteren Schutz. Die Moorbirke trägt eine entsprechende „Kleidung“, damit es auf Schneeflächen, die das Licht stark reflektieren und damit wie ein Brennglas wirken, nicht zu Verbrennungen kommt. Es handelt sich um die weiße Rinde. Die weißfärbende Wirkung des Betulin, ein Rindeninhaltsstoff, schützt die dünne Rinde vor Rindenbrand. Eine komplett dunkle Rinde würde sich überhitzen und das Zellteilungsgewebe schädigen. Die Moorbirke trägt sowohl männliche als auch weibliche Blüten. Eine freistehende, alte Moor-Birke kann bis zu vier Kilogramm Samen produzieren. Würde man diese nebeneinander legen, ergäbe sich eine Strecke von 60 Kilometern. In einem männlichen Kätzchen befinden sich circa fünf Millionen Pollenkörner. Der Pollen kann bis zu 2000 Kilometer weit fliegen.

Damit sind Moorbirken Pioniere –  gemacht für das Erobern der Ödnis. Bis ins 17. Jahrhundert waren die unzugänglichen Moore weitgehend unberührte Wildnis. Im Zuge der Industrialisierung entwässerten die Menschen die Moore zunehmend, um sie land- oder forstwirtschaftlich nutzen zu können. Heute sind die verbliebenen Moorlebensräume stark gefährdet und damit viele der moortypischen, hoch spezialisierten Tier- und Pflanzenarten, die dort anzutreffen sind. Und: „Die Moore sind CO2-Binder. Trocknen sie aus, geben sie das gespeicherte CO2 ab“, sagt Nickel.