Bachs Johannespassion in der Paterskirche Kempen  Jesus‘ Leidensgeschichte von nur einem Tenor

Kempen · Benedikt Kristjánsson, Elina Albach und Philipp Lamprecht boten eine neue Sicht auf die Johannes-Passion.

Das Publikum in der sehr gut besuchten Paterskirche war gebeten worden, bei den Chorälen wie zu Bachs Zeiten mitzusingen.

Foto: Norbert Prümen

(oeh) Die großartige Bach‘sche Vertonung der Leidensgeschichte nach dem Evangelisten Johannes, ausgeführt von einem einzigen Tenor, begleitet von Cembalo beziehungsweise Orgel und diversem Schlagwerk, dazu die Choräle vom „Volk“ gesungen – ein Versuch, der neugierig machte. Der Isländer Benedikt Kristjánsson, der bei Scot Weir in Berlin studierte und inzwischen mit ersten Dirigenten und Orchestern arbeitet, ist der Initiator und war der alleinige vokale Ausführende. Ihn unterstützten Elina Albach – ausgebildet an der Schola Cantorum Basiliensis und mittlerweile begehrte Continuospielerin an Cembalo und Orgel – und Philipp Lambrecht. Dieser ist ein vielseitig agierender Musiker für Alte und Neue Musik, den Schlagzeuglegende Peter Sadlo in Salzburg ausbildete.

Allein von der Menge her
eine enorme physische Leistung

Kristjánsson sang die gesamte Evangelistenpartie, die Jesusworte, den Petrus- und Pilatuspart, den umfangreichen Eingangschor, ein Tenor- und ein Bass-Arioso, beide Sopranarien und die zweite Altarie. Die Volkschöre interpretierte er als eindrucksvollen Sprechgesang. Alleine von der Menge her war das eine enorme physische Leistung. Doch damit nicht genug – der Sänger mit der lyrischen, ebenmäßigen Stimme von beachtlichem Tonumfang verstand es auch, mit wechselnden Stimmfarben und unterschiedlich starker Intensität die Schilderungen in faszinierender Weise zu vermitteln. Außerdem war er bei den Chorälen dem Publikum, das gebeten war, wie zu Bachs Zeiten mitzusingen, Dirigent und stimmstarker Mitsänger. Mit zwanzig Interessierten, die im Saal verteilt saßen, hatte Propsteikantor Christian Gössel die Chorsätze vierstimmig geprobt – nun fungierten sie erfolgreich als vokale Stützen.

Elina Albach hatte bei stetigem Wechsel zwischen Cembalo und Orgel alle Hände voll zu tun. Sie fügte sich einfühlsam und – wenn geboten – mit atemberaubender Technik in die ständig wechselnden Stimmungen ein und ließ so das fehlende Orchester völlig vergessen. Eindrucksvoll gelangen die Volkschöre, denen der Sänger mittels ausdrucksstarkem, instrumental unterlegtem Sprechgesang die nötige Intensität verlieh. Erschütternd die geflüsterten, dann immer mehr ersterbenden „Kreuzige“-Rufe – die nicht zu enden schienen.

Unerwartete klangliche Verdeutlichungen

Philipp Lamprecht steuerte auf unterschiedlichen Schlaginstrumenten sehr behände oft unerwartete klangliche Verdeutlichungen bei – beispielsweise auf dem Vibraphon die bei Bach obligate Querflötenstimme zur Arie „Ich folge dir gleichfalls“. Wunderschön auch das Bass-Arioso „Mein teurer Heiland“, bei dem Orgel und Marimba sich zum begleitenden Choral vereinigten. Den Schlusschoral übernahmen die drei Solisten selbst in einer fesselnden, die Melodie geschickt von Stimme zu Stimme wechselnden Interpretation. Danach blieb es lange still in der Paterskirche, bis sich endlich großer Jubel Bahn brach.

(oeh)