Wahlkreis hat nur eine Nebenrolle

Kay Gottschalk, AfD- Abgeordneter aus dem Kreis Viersen, eröffnet ein Büro in Krefeld.

Foto: dpa

Kreis Viersen/Krefeld. Die WZ-Redaktion hat eine Einladung von Kay Gottschalk bekommen. Der AfD-Bundestagsabgeordnete aus Hamburg, der im Kreis Viersen als Direktkandidat zur Wahl stand, eröffnet ein Wahlkreisbüro. Dieses befindet sich aber nicht in Kempen, Viersen, Grefrath, Willich oder Tönisvorst, sondern außerhalb des Viersener Wahlkreises 111. Die Eröffnung eines Büros in Krefeld steht an.

Das wird für den einen oder anderen Wähler nun wie ein schlechter Scherz klingen. Ist es aber nicht. Und der Betrieb eines Wahlkreisbüros außerhalb des eigenen Wahlkreises ist auch rechtens, wie die Recherche der WZ ergeben hat. Die Verwaltung des Deutschen Bundestages hat daran nichts auszusetzen. In den Verordnungen für Bundes-Parlamentarier sei kein Passus mit Blick auf den Standort des Wahlkreisbüros zu finden. „Der Bundestag ist hier nicht involviert und muss sich deshalb auch nicht mit der Frage auseinandersetzen, wie sinnvoll es sein mag, ein Parteibüro dort zu eröffnen, wo die angepeilte Wählerschaft gerade nicht wohnt und zur Wahl geht“, heißt es von der Berliner Behörde.

Finanzielle Vorteile hat ein Abgeordneter durch die Eröffnung eines Wahlkreisbüros nicht. Denn der Gesetzgeber sieht zur Finanzierung verschiedener Kosten eines Bundestagsabgeordneten eine Pauschale vor. Diese beträgt nach Angaben des Steuerzahlerbundes derzeit 4318 Euro pro Monat. Dienen soll die Summe zur „Finanzierung von Bürokosten im Wahlkreis, Mehraufwendungen am Sitz des Parlaments sowie von Kosten für Repräsentation und Wahlkreisbetreuung“, so der Steuerzahlerbund: „Da es sich um eine Pauschale handelt, spielen die tatsächlich durch das Mandat bedingten Ausgaben letztlich keine Rolle.“

Inhaltlich begründet Kay Gottschalk den Krefelder Sitz des Wahlkreisbüros damit, dass er sich als „Abgeordneter für den gesamten Niederrhein“ sieht. Und Krefeld liege da zentral. Im Übrigen sieht sich der gebürtige Hamburger auch nicht Abgeordneter des Kreises Viersen, weil er nicht per Direktmandat, sondern über die NRW-Landesliste ins Parlament eingezogen sei.

Im Wahlkampf betonte Direktkandidat Gottschalk freilich häufiger seiner Verbundenheit zum Kreis Viersen. Der Kreis Viersen sei ein wichtiger Bestandteil seines Lebens, sagte er im Juli 2017 gegenüber der WZ. Durch die Freundschaft zu einem Modelleisenbahnsammler aus der Region habe er schon vor Jahren den Kreis „kennen- und schätzengelernt“. Inzwischen befindet sich Gottschalks Wohnsitz nach eigenen Angaben in Nettetal-Breyell. Und gerne erwähnt der Norddeutsche auch, dass er schon beim Dülkener Karnevalszug dabei gewesen sei.

Apropos Karneval: Die Eröffnung des Krefelder Büros, zu der Gottschalk „Parteifreunde, Unterstützer und Wegbegleiter“ sowie die Presse eingeladen hat, findet am Karnevalssamstag statt. Ergänzend zur Einladung bittet Gottschalks Büroleiterin Corinna Bülow darum, die Adresse des neuen Wahlkreisbüros nicht zu nennen. „Ansonsten müssten wir leider mit zeitnahen ,Verschönerungen’ unseres Büros rechnen und das würden wir gerne vermeiden, wie wir auch die Sicherheit unserer Gäste gewährleisten möchten“, teilt die Beisitzerin im Vorstand der Mönchengladbacher AfD mit. An der AfD Interessierte können sich laut Gottschalk über seine Homepage die Kontaktdaten seiner Mitarbeiter besorgen.

Die Nicht-Nennung der Adresse zielt auf ein Bedrohungsszenario ab, das Gottschalk seit einigen Wochen immer wieder erwähnt. Er und seine Parteifreunde seien „Repressionen“ — insbesondere von Linksextremisten — ausgesetzt. Dies habe nicht zuletzt ein „tätlicher Angriff von Demonstranten“ auf Gottschalk Anfang Dezember beim Bundesparteitag in Hannover gezeigt, bei dem er verletzt worden sei.

Seitdem thematisiert der zweite stellvertretende Bundesvorsitzende der AfD diese „Bedrohung“ häufiger in der Öffentlichkeit. Unter anderem in einem Brief an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) — kurz nach dem Hannoveraner Parteitag. In dieser Woche dann fühlte sich er sich als Mitglied des Hamburger Sportvereins dazu berufen, zu einem Mitgliederantrag Stellung zu beziehen. In diesem Antrag von Namensvetter Peter Gottschalk steht sinngemäß, dass der HSV AfD-Mitglieder ausschließen soll.

Kay Gottschalk werde bei der nächsten HSV-Mitgliederversammlung das Wort gegen diesen Antrag ergreifen: „Der HSV läuft dabei Gefahr, seine Gemeinnützigkeit zu verlieren, wenn er Mitglieder einer demokratischen Partei ausschließt, die mit beiden Beinen auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung steht.“

Damit nicht genug. In der Pressemitteilung zum Thema folgt noch ein Vergleich zur Zeit des Dritten Reiches. Gottschalk fühle sich an 1933 bis 1945 erinnert: „Damals wurden jüdische Fußballer ausgeschlossen, will man jetzt ernsthaft wieder an diese Zeit anknüpfen? Demokratische Parteien anprangern, um eine alte Schuld zu sühnen? Hier muss direkt den Anfängen Einhalt geboten werden.“

Auf der einen Seite vergleicht Gottschalk die Diffamierung von AfD-Mitgliedern durch den Antrag beim Hamburger SV mit dem Schicksal jüdischer Fußballer. Auf der anderen Seite macht sich der Hamburger beim Neujahrsempfang der AfD in Krefeld die Sprache der Nazis zu Eigen, in dem er zum Boykott türkischer Geschäfte aufruft (siehe Artikel unten).