Krefeld Judenvergleiche, Türkenboykott und mehr: Ein Abend bei der AfD in Krefeld

Der Neujahrsempfang der AfD in Krefeld verläuft friedlich. Zumindest vor der Tür. Drinnen geht wenig ohne Bezug auf die Zeit des Nationalsozialismus. Nur mit umgedrehtem Spieß.

Krefeld. Draußen vor der Türe dieser versteckten Halle mitten in Oppum haben sich vielleicht 30 Menschen versammelt. Sie wollen Flagge zeigen, halten ein Banner, hören Musik von den Toten Hosen. Ein Protestchen. Auf der anderen Straßenseite steht ein einziger Mannschaftswagen der Polizei. Selbst der ist zuviel an diesem Abend. Der Neujahrsempfang der AfD in Krefeld verläuft friedlich. Vor der Tür.

Foto: Andreas Bischof

Drinnen liegt neben einer AfD-Broschüre für Krefeld der Deutschland-Kurier aus, den die renommierte Schweizer Zeitung NZZ am Sonntag als „Bild für AfD-Wähler“ bezeichnet, die Satirezeitschrift „Titanic“ als „Bild von rechts“. Die Stimmung ist blendend. Kein Wunder, die Anhänger von Gauland, Höcke und von Storch erobern ein Parlament nach dem anderen. Am Einlass gibt’s Küsschen, man kennt sich, obwohl sich kaum Krefelder an die Hauptstraße verlaufen. 200 Menschen sind gekommen, viele von auswärts. Um Bundessprecher Jörg Meuthen, den redegewandten Professor, zu beklatschen, wenn er sich an allem abarbeitet, was links von der AfD anzusiedeln ist. Und der Mann, der die Union als „pseudo-konservative Blendgranate“ bezeichnet, enttäuscht seine Fans nicht. Der Dank ist Zwischenjubel.

Stärkste Oppositionskraft im Bundestag, die SPD weiter im Sinkflug. Es läuft für die AfD. Damit gehen die vielen Redner an diesem Abend ganz unterschiedlich um. Aus Krefelds Sprecher Burkhard Schröder, Gastgeber der Veranstaltung, spricht die pure Freude, andere können vor Kraft kaum laufen. Wie der Krefelder Polizist Guido Krebber, der die AfD bei den nächsten Wahlen mindestens bei 30 Prozent sieht und bald in der absoluten Mehrheit. „Und dann wird endlich aufgeräumt in diesem Land.“ Was genau Krebber damit meint, bleibt er schuldig.

Meuthen leider auch, wenn auch wesentlich eloquenter. Der Mann ist ein guter, witziger Redner. Wenn man denn die Inhalte lustig finden kann. Einer, der gern Geschichten erzählt. Zum Beispiel, dass „die Medien in Berlin das ja niemals schreiben oder senden würden. Aber off the records loben sie uns, wie gut wir angekommen sind im Bundestag. Wie toll und stark wir aufgestellt sind.“ Die versammelten Medien als heimliche AfD-Fans, der Lieblingsfeind im Anbiedermodus, das kommt an in Oppum. Genauso wie die Inszenierung als Opfer einer linksverblendeten Gesellschaft, die dankbar sein sollte, dass es endlich eine Partei gibt, die nicht lügt.

Oder die Geschichte vom „Messerstecher Abdul D.“, dem Mörder von Kandel, den Meuthen als Prototypen des gefährlichen Einwanderers skizziert, „der trotz Vollbart und lichtem Haupthaar als Jugendlicher durchgehen dürfe. Aber wenn man sich hierzulande schon das Geschlecht aussuchen darf, warum nicht auch das Alter.“ Johlen. Meuthen redet nicht über die AfD, sondern über die anderen. Er beleidigt, äfft nach. Und er darf das in Oppum, denn er hat das Publikum im Bann. Da macht es auch nichts aus, dass Meuthen sich auch am unfähigen Europa Parlament abarbeitet, wo er selbst als Abgeordneter fürstlich bezahlt wird.

Und natürlich geht wenig ohne Bezug auf die Zeit des Nationalsozialismus. Nur mit umgedrehtem Spieß. Das umstrittene Netzwerkdurchdringungsgesetz von SPD-Minister Heiko Maas nennt Meuthen „Zensurgesetz“. Zusatz: „Es erinnert mich an die dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte.“

Mit dem Florett hat der mangels Kandidaten an den Niederrhein importierte Hamburger Kay Gottschalk, der am Nelkensamstag ein Büro an der St. Anton-Straße eröffnen möchte, nicht viel am Hut. Ihn, das HSV-Mitglied, macht es rasend, dass der am 18. Februar über einen Antrag abstimmt, demzufolge keine AfD-Mitglieder aufgenommen werden sollen, und zieht einen Vergleich zu den Umgang mit Juden im Nationalsozialismus. Und einmal in Fahrt, fordert Gottschalk unter offensichtlichem Bluthochdruck „alle Bürger guten Willens auf: Boykottiert die Läden der Türken in Deutschland.“. Das Gros von ihnen hänge Erdogan an. Parteifreund Stefan Keuter versucht zu reparieren: „Der Kay redet sich schon mal in Rage.“ Das Gespräch scheint fortgeführt worden zu sein, am Tag darauf schickt Gottschalks Büro eine Mischung aus Erklärung und Entschuldigung.

Wesentlich ruhiger präsentiert sich Hauke Finger, der für die Krefelder AfD spricht, die sich „künftig auch lokalen Themen widmen“ will. „Wir müssen auch viel lernen. Darum besuchen wir ab sofort regelmäßig die Ausschüsse.“

Eine neue Broschüre gibt es schon. Darin finden sich unter anderem die „Verhinderung von NoGo-Areas“, aber auch der Ankauf von Schrottimmobilien oder attraktives Wohnen in der City.