Kempen/Kreis Viersen Wovon Knappen und Fohlen träumen
Am Niederrhein schauen die Fans von Gladbachs Borussia und Schalke gespannt auf das Spiel. Die WZ hat sich umgehört.
Kreis Viersen. Als Schalke-Fan einen Vorbericht über das Europa-League-Spiel schreiben? Na ja, die Kollegen werden sich schon was dabei gedacht haben. Also höre ich mich bei Fans beider Clubs — ja, es gibt auch ein paar Blau-Weiße am Niederrhein — um. Wie sehen sie die Chancen ihrer Vereine? Nutzt Gladbach den Vorteil durch das 1:1 im Hinspiel? Oder reißen die Knappen was im Borussia-Park? Diesen Fragen gehe ich selbstverständlich mit journalistischer Objektivität nach.
Deshalb rufe ich gleich bei Micky Foehde an. Der Fußballtrainer aus Tönisberg ist die personifizierte Schalker Fankultur. Geheiratet hat er am 04.04.2004, natürlich auf Schalke. Foehde glaubt, dass es knapp wird, ist aber optimistisch: „Ich tippe auf ein 1:1 nach der regulären Spielzeit. Und dann gewinnen wir 5:4 im Elfmeterschießen.“ Heilige St. Barbara, der Mann hat Nerven! Foehdes große Hoffnung: „Dass Stindl und Raffael nicht rechtzeitig fit werden.“ Das Traumduo im Borussen-Sturm musste am Wochenende beim Ligaspiel passen. Nachdem wir ein paar Minuten übers Spiel in Gladbach gesprochen haben, beginnt Foehde zu träumen: „Ich kann mir vorstellen, dass es in diesem Jahr mit dem Europa-League-Titel klappt.“ 20 Jahre nachdem die Eurofighter den Uefa-Pokal an den Schalker Markt geholt haben, sei das doch passend. „Damals war die Situation ja ähnlich. In der Liga läuft nichts. Aber in Europa kloppst du alle weg.“ So sind wir Schalker halt. Von irgendeinem Titel träumen wir immer. Wenn nicht von der Meisterschaft, dann von der Europa League, und wenn das auch nicht geht, zumindest vom „Stan-Libuda-Pokal“ der Stadtsparkasse Wanne-Eickel. Das Gespräch mit Foehde macht mich mutig.
Ich rufe einen Borussen an — den Chef der Kempener Prinzengarde, Heiner Hermans. Ob er sich schon mit dem Ausscheiden seiner Fohlen angefreundet hat, möchte ich wissen. „Das wird nicht passieren. Durch den Heimvorteil gewinnen wir 3:2.“ Klar sei Schalke im Aufwind, aber auch ein ziemlich launisches Team. Und tatsächlich, auch Borussen träumen. „Wenn wir Schalke besiegen, ist es nicht mehr ganz so weit zum Titel“, sagt Hermans. Außer Lyon und Manchester United seien schlagbare Gegner im Wettbewerb. Zum Abschied flötet er mir ein fröhliches „Seien Sie nach dem Spiel nicht so traurig!“ ins Telefon.
Das kann ja nicht sein, denke ich mir. Ob alle Borussen so optimistisch sind? Haben die das Hinspiel nicht gesehen? Da war Schalke näher am Sieg. Ich frage den Kempener Michael Pluschke, Pressesprecher der Stadt Willich und Anhänger der Fohlen. Schalke müsse einen super Tag erwischen, um zu gewinnen. Er gehe von einem 2:0 für seine Borussia aus. „Die Niederlage in Hamburg am Wochenende dürfen wir nicht überbewerten. Das war im Schongang.“ Um den Fohlen-Sturm macht er sich keine Sorgen. „Bei Stindl und Raffael gibt es bestimmt eine Wunderheilung“, sagt Pluschke lachend.
Zwei optimistische Borussen? Das kann noch Zufall sein. Doch auch der St. Töniser Werner Lessenich geht von einem VfL-Sieg aus. Seine Liebe zum Verein drückt er durch die Aktion „Eiserne Fans“ aus, bei der er Skulpturen den Schal mit der Raute umhängt und fotografiert. Heute Abend setzt er auf ein 1:0: „Ich bin von der Qualität der Mannschaft überzeugt.“
So viel Optimismus? Mir wird mulmig. Vielleicht fliegen wir heute Abend ja doch raus. Zur Beruhigung singe ich das Steigerlied — drei Mal. Hilft nicht! Daher rufe ich Hans-Josef Klingen an. Der zweite Vorsitzende des SV Grefrath erinnert sich noch an die legendären Duelle der 1960er Jahre. Er kann mir bestimmt Mut machen. Und tatsächlich. „Das gibt ein 2:2. Mit der Auswärtstorregel reicht das ja“, sagt Schalke-Anhänger Klingen. Trotz der durchwachsenen Saison bleibe das Potenzial der Königsblauen groß. Und auch die 4:2-Niederlage in der Liga müsse man nicht überbewerten: „Das ist ein anderer Wettbewerb.“
Mein Optimismus ist zurück. Und da wir Schalker ja für unsere Bescheidenheit bekannt sind, ein Kompromissvorschlag: Wir holen die Europa League und dafür darf der DFB-Pokal gerne an den Niederrhein kommen. In diesem Sinne: Glück auf!