Nettetal braucht mehr Unterkünfte für Flüchtlinge

In den nächsten Wochen werden 300 neu zugewiesene Menschen erwartet.

Nettetal. Da rang selbst ein erfahrener Polit-Haudegen wie Willi Pollmanns um Worte: „So was Dramatisches, überhaupt so eine Sondersitzung des Sozialausschuss habe ich in 30 Jahren noch nicht erlebt!“ Es war die große Sorge um die vielen Flüchtlinge, die den Christdemokraten und fast alle Mitglieder des Ausschusses für soziale Angelegenheiten im Rathaus so sprachlos machte: Wie kann die Stadt den erwarteten Ansturm von Menschen auf der Flucht bewältigen? Wo sollen menschenwürdige Unterkünfte her? Wie kann eine Betreuung gelingen, wo doch jetzt schon viele Helfer an ihre Grenzen stoßen?

Christian Wagner, Bürgermeister

Der Ernst der Lage wurde schnell klar, als die Ausschussvorsitzende Tanja Jansen (SPD) den „Bürgermeister als Gast im Ausschuss“ begrüßte. Aus gutem Grund: Christian Wagner war extra gekommen, um aktuell von einer „Sonder-Bürgermeister-Beratung beim Landrat“ zu berichten. „Unüblich“ sei solch eine kurzfristig anberaumte Zusammenkunft — das Wort Krisengipfel vermied Wagner. Die Gespräche gehen übrigens weiter. Gestern fand eine Telefonkonferenz der Bürgermeister statt, zwei Arbeitsgruppen sollen Absprachen zur Flüchtlingshilfe über kommunale Grenzen im Kreis Viersen hinweg prüfen.

„Trotz einer Welle der Hilfsbereitschaft für Menschen in Not scheint es kaum möglich, diesem Ansturm von Menschen, die Schutz suchen, gerecht zu werden“, beschrieb Wagner die „Spannungssituation“ — und nannte Fakten aufgrund der absehbaren Zuweisungen durch die Bezirksregierung: „Bis zu 1500 neue Flüchtlinge im Kreis Viersen bis Jahresende, 300 in Nettetal“ seien zu erwarten, demnach kommen etwa 30 bis 50 Flüchtlinge pro Woche in der Stadt an. Das Problem konkretisierte Armin Schönfelder: „Wir haben derzeit noch Kapazitäten von 20 Plätzen.“

Angelaufen sind die Vorbereitungen, wie schon länger bekannt, um in Kaldenkirchen Gebäude der Firma Terratec und der Steyler Missionare als Unterkünfte zu nutzen sowie in Breyell die eigentlich ausgedienten und leerstehenden Notunterkünfte am Vorbruch. Dadurch könnte Platz für 180, 190 Flüchtlinge geschaffen werden. Doch Gebäude allein reichen nicht — die Stadt muss auch bei den „personellen Ressourcen“ aufstocken, also die Zahl der Hausmeister und der Mitarbeiter im Fachbereich Soziales erhöhen.

Diese Schilderungen der nicht nur von Pollmanns als „dramatisch“ empfundenen Situation sorgten für Betroffenheit im Sozialausschuss: Es gab keine Diskussionen oder gar politische Scharmützel wie sonst üblich, überhaupt gab es kaum Wortmeldungen. Stattdessen war die Fassungslosigkeit ob der Not der Menschen spürbar und „die Pflicht zu helfen“, wie es Wagner formulierte, auch umsetzen zu können.

Für die Anmietung und Herrichtung der Unterkünfte sowie die Einstellung von Personal erteilte der Ausschuss der Verwaltung den Auftrag. Er wurde am Mittwoch durch den Rat bestätigt. Der Ausschuss stimmte fast geschlossen zu, Lothar Kronauer (AfD) enthielt sich.