Soziale Projekte in Nettetal Nettelmännchen hören zum Monatsende auf
Kaldenkirchen · Neun Monate lang waren die „Nettelmännchen“ als ehrenamtliche Helfer im Alltag bei hilfsbedürftigen Menschen aktiv. Organisiert wurde das Projekt vom Bildungszentrum Kaldenkirchen, jetzt gibt es vom Jobcenter kein Geld mehr.
(hb) So wie die Heinzelmännchen von Köln nach ihrer Entdeckung nicht mehr wiederkamen, so verschwinden jetzt auch die Nettelmännchen, die ehrenamtlichen Helfer in Nettetal. Diese Arbeitsgelegenheits-Maßnahme (AGH) vom Jobcenter wurde im Juni 2021 gestartet, war erst für sechs Monate geplant, dann auf neun Monate verlängert. Jetzt erhielt das Bildungszentrum Kaldenkirchen (BZK) die Mitteilung, dass die Maßnahme zum Ende des Monats eingestellt werden soll.
Die Räume vom BZK am Herrenpfad-Süd sind schon halb verwaist. Nur noch wenige Nettelmännchen sind vor Ort. Dabei waren sie für den AGH-Koordinator Klaus Schie eine Erfolgsgeschichte. Langzeitarbeitlose wurden ehrenamtlich aktiv, erhielten eine Aufwandsentschädigung von 2 Euro pro Stunde, und kamen nicht nur mit anderen Menschen zusammen, sondern konnten älteren Menschen oder anderen mit Handicap helfen. Sie boten ihre Gesellschaft und Unterhaltung an, halfen im Alltag, etwa beim Einkaufen, spielten mit ihnen oder gingen für sie zur Apotheke.
Die wöchentliche Arbeitszeit betrug maximal 25 Stunden, die Nettelmännchen hatten feste tägliche Arbeitszeiten zwischen 8 und 15.15 Uhr. So wurden sie wieder an eine Tagesstruktur und feste Zeiten herangeführt. Die Nettelmännchen waren gefragt. Verschiedene Kirchengemeinden und Seniorenhäuser teilten bedürftige Personen mit, die Unterstützung bei kleinen Erledigungen gebrauchen können. Sie waren keine Konkurrenz zum Pflegepersonal, sondern ergänzten es, sie konnten vieles tun, wozu im stressigen Alltag meistens keine Zeit blieb: sich den Menschen zuwenden.
Teilnehmer kamen aus ganz unterschiedlichen Berufen
So war beiden Seiten geholfen. Die Nettelmännchen, die an dem Projekt teilnahmen, waren zwischen 33 und 64 Jahre alt. Sie alle hatten keine Erfahrung in der Pflege, kamen aus ganz unterschiedlichen Berufen. Die Gründe für die lange Arbeitslosigkeit waren auch höchst unterschiedlich. Der eine hatte den Job verloren, als das Unternehmen die Produktion in ein Billiglohnland verlagerte. Ein anderer hatte ein stillen Herzinfarkt und fand nach der Reha keinen Job mehr. Auch eine alleinerziehende Mutter war bei den Nettelmännchen. Der Einsatz beschränkte sich nicht nur auf Nettetal, auch in der LVR-Tagesstätte für betreutes Wohnen in Amern waren Nettelmännchen aktiv. In Schaag half man bei der Tagespflege, in Leuth bei einer Kirchengruppe, ebenso bei drei Wohngruppen des Deutschen Orden in Kaldenkirchen. Bei der Lebenshilfe in Brüggen wurde mit einer Frau jede Woche zusammen gemalt. „Die Frau war nicht mehr wiederzuerkennen“, hieß es aus ihrem Umfeld, nachdem das gemeinsame Malen begonnen hatte.
Die meisten Räume im ersten Stock des Bildungszentrums in Kaldenkirchen sind noch voller Leben. Dort werden Kleidungsstücke aus Sammlungen sortiert, gebügelt und teilweise repariert. Auch diese Maßnahme, die vom Jobcenter bezahlt wurde, läuft nach zwei Jahren aus. Jeden Freitag werden die fertig sortierten Pakete mit Altkleidung abgeholt. Jetzt hat die Tafel in Kempen keine Lagerkapazitäten mehr. Koordinator Klaus Schie befürchtet, dass die Textilien geschreddert werden müssen, wenn sie nicht bis zum Monatsende abgeholt werden. „In Zeiten, in denen für Flüchtlinge aus der Ukraine gesammelt wird, ist das für mich eine schreckliche Vorstellung“, so Schie. Aber auch was aus den Teilnehmern dieser Maßnahme wird, erfüllt Schie mit Sorge.