Nach Sperrung des Wanderwegs Nette Seen Nettetal will dem Biber mit Paste und Pinsel den Appetit verderben

Nettetal · Teile des Premium-Wanderwegs Nette Seen sind gesperrt worden, weil erneut ein Biber für Überschwemmungen gesorgt hat. Die Stadt will es nun mit einem Mittel versuchen, das ihm dem Spaß am Nagen verdirbt.

Biber stehen unter Artenschutz, sie bereiten am Niederrhein aber mitunter Probleme, wenn sie Bäume annagen und Dämme bauen.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Der Biber mag es nass, Wanderer und Spaziergänger sind lieber trockenen Fußes unterwegs – und daraus hat sich in Nettetal erneut ein Interessenkonflikt ergeben: Am Ferkensbruch in Lobberich und am Nettebruch in Breyell hat der Biber durch eifrigen Dammbau für überlaufende Bäche gesorgt und so Wege und Wald überschwemmt. Die Stadtverwaltung sah sich genötigt, wie schon einmal im Herbst 2022 Teile des in diesem Bereich verlaufenden Premium Wanderwegs Nette Seen zu sperren. Da Biber unter Artenschutz stehen und erst seit einigen Jahren wieder den Niederrhein mit einigen Exemplaren als Lebensraum zurückerobert haben, fällt die Jagdflinte als Werkzeug zur Lösung des Konflikts aus. Die Stadtverwaltung will es jetzt mit einem anderen Mittel versuchen – und mit dem Pinsel.

Vor 150 oder 200 Jahren noch wäre man dem Problem rabiat zu Leibe gerückt. Damals wurden die heimischen Biber bejagt und waren in hiesigen Breiten schließlich rücksichtslos ausgerottet. Heute gebe es wieder etwa zehn Biber-Reviere im Nettetaler Stadtgebiet, sagt Ansgar Reichmann, Leiter der Biologischen Station Krickenbecker Seen. Im gesamten Kreis Viersen seien es 50 bis 55. Ein Revier teilt sich jeweils ein Biberpärchen, zeitweise auch mit ein oder zwei Jungtieren. Der Nachwuchs wird aber nach einem Jahr von den Eltern vertrieben und muss sich eigene Reviere suchen.

Der Biber hat für überschwemmte Wege im Nettebruch zwischen Lobberich und Breyell gesorgt.

Foto: Stadt Nettetal

Auch wenn die Zahl der Tiere so nach und nach wieder steigt und sich die Konflikte mit dem Menschen häufen, darf schon des Artenschutzes wegen die rabiate Vorgehensweise der Vorfahren heute nicht Vorbild sein. Darin herrscht auch in der Nettetaler Politik weitgehende Einigkeit. „Jetzt geht es um Koexistenz“, sagt etwa Guido Gahlings, Vorsitzender des Umweltausschusses und der Ratsfraktion der Grünen.

Auch Heike Meinert vom städtischen Nettebetrieb strebt eine „Balance“ zwischen Mensch und Biber an. „Wir müssen uns auf ein Maß einigen, dass wir aneinander vorbeikommen“, sagt sie. Und daher will die Stadt nun am Wanderweg entlang des Nettebruchs die Stämme von 50 Bäumen mit einem Mittel anstreichen, das dem Biber die Lust am Nagen und Fällen der Bäume nimmt – und zwar über Jahre.

Empfohlen wurde das Mittel von Ansgar Reichmann. Es werde bereits seit Jahren erfolgreich zum Schutz von Trauerweiden am De Wittsee eingesetzt, sagt der Biologe. Und fügt hinzu: „Es ist kein Gift und schadet auch den Bäumen nicht.“ Vielmehr handelt es sich um eine Paste, der Quarzsand beigemischt ist, der dem Biber und seinen Beißerchen nicht mundet.

Ansgar Reichmann von der Biologischen Station.

Foto: Holger Hintzen

Das Produkt ist unter dem Handelsnamen Wöbra erhältlich, kann also auch von Privatleuten eingesetzt werden, deren Gärten an Biberreviere grenzen. „Es ist allerdings nicht ganz billig“, sagt Reichmann, „eine Drahtmanschette um den Baumstamm legen ist preisgünstiger.“

Zu einem durchdachten „Bibermanagement“, um das sich inzwischen einige Kommunen am Niederrhein bemühen, kann zudem gehören, in die Konstruktion eines Biberdamms einzugreifen. Wenn das Wasser zu hoch oder zu weiträumig gestaut wurden, kann ein durch den Damm gezogenes Rohr für Abfluss sorgen und den Wasserspiegel senken. Damit nicht zu viele Bäume dem Biss des Bibers zum Opfer fallen, hält es Reichmann auch für ratsam, bereits umgekippte Stämme nicht allzu schnell wegzuräumen. Das animiert den Biber nur, sich dem nächsten noch senkrecht stehenden Baum zuzuwenden, statt sich erst einmal ausführlich dem bereits bezwungenen, am Boden liegenden Objekt zu widmen.

Mögen die Nebenwirkungen des Nagers an der ein oder anderen Stelle Schäden an Wegen anrichten und Menschen stören – an anderen Stellen sind sie durchaus sehr nützlich. Sie können in heißen Sommern helfen, dass Bäche und Feuchtgebiete nicht trocken fallen und, so Reichmann, durch die von ihnen geschaffenen Wasserrückhalteflächen dafür verhindern, dass bei Starkregen Flutwellen entstehen.