Naturschutz im Kreis Viersen Immer mehr Biber an der Niers unterwegs

Grefrath · Im Kreis Viersen steigt die Zahl der Biber immer weiter an. Für den Naturschutz sind sie von großem Wert. Insbesondere mit Blick auf die trockenen, heißen Sommer.

Biber fressen gern Rinde und legen über den Winter auch Vorräte von Zweigen unter Wasser an, damit sie schön frisch bleiben.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Wer langsam spazieren geht oder am Ufer von Niers, Nette oder Schwalm verweilt, kann Glück haben und einen Biber sehen. Doch leicht zu entdecken sind die Tiere nicht, viel häufiger sieht man aber die Spuren, die sie hinterlassen: angenagte Baumstämme, so sorgsam bearbeitet, dass sie bald zu fallen drohen. Äste und Zweige, die in den Gewässern so aufgeschichtet wurden, dass sich das Wasser staut oder vorbeifließt und den Spazierweg flutet – in diesen Tagen nach üppigen Regenfällen keine Seltenheit. Der Biber ist ein emsiger Baumeister, und eine ganze Biberfamilie mit Eltern und Jungtieren kann durchaus von einem Tag auf den anderen mehrere Bäume fällen.

Wie der Biber in den Kreis Viersen gelangte, wie er dort lebt und warum er so nützlich ist, will Wilfried Küsters Interessierten näherbringen. Er ist seit 2009 als Natur- und Landschaftsführer am Niederrhein unterwegs, bietet aktuell im Naturpark Schwalm-Nette auch Biberwanderungen an. Die nächste findet am Samstag, 6. Januar, in Wachtendonk statt: Bei einer Wanderung auf schmalen Pfaden entlang von Nette und Niers begeben sich die Teilnehmer auf die Spur des Bibers, der über Weihnachten einige Bäume gefällt und angenagt hat. Wie der Biber an Nette und De Wittsee in Nettetal lebt, erfahren Wanderer von Küsters am Samstag, 13. Januar, und für Samstag, 27. Januar, ist in Grefrath-Oedt eine Biberwanderung entlang der Niers geplant. Dort im Naturschutzgebiet in der Nähe der Burg Uda sind Biber seit Jahren heimisch, bauen Staudämme und hinterlassen an vielen Stellen ihre markanten Spuren.

Gut 100 Jahre lang gab es keinen Biber in Nordrhein-Westfalen, die Menschen hatten ihn ausgerottet. Inzwischen ist der Biber in NRW aber wieder auf dem Vormarsch. In den 1980er-Jahren gab es ein Wiederansiedlungsprojekt in der Nordeifel, zwölf Tiere wurden damals freigelassen. Sie etablierten sich im Bereich der Rur und wanderten über die Maas in die Schwalm ein, 1997 wurde das erste Exemplar im Kreis Viersen registriert.

Seither hat die Zahl der Biber in der Region immer weiter zugenommen. Das geht aus einer Erhebung der Biologischen Station Krickenbecker Seen (BSKS) in Nettetal hervor. 2009 registierte die BSKS acht Reviere, 2014 waren es 14, 2021 schließlich 46. In einem Revier leben zwei bis fünf oder sechs Tiere, erklärt Ansgar Reichmann, Biologe und Leiter der BSKS, „die Elterntiere mit ihren Jungen“. Für dieses Jahr plant die Station die nächste Erhebung, aktuelle Zahlen sollen dann zum Jahresende vorliegen. Küsters zufolge werden es wohl inzwischen 250 bis 300 Biber sein, die an der Niers und ihren Zuflüssen heimisch geworden sind. Wer Bäume in Gewässernähe pflanzt, muss deshalb Fällungen durch Biber einkalkulieren oder einen engmaschigen Zaun von mindestens einem Meter Höhe anbringen, um den Stamm zu schützen.

Aktivität des Bibers gut
für den Hochwasserschutz

Auch wenn nicht jeder die Bautätigkeiten des Bibers zu schätzen weiß: Für die Natur sind sie von großem Wert. Der Biber könne ein kleinräumiges Mosaik unterschiedlicher wassergeprägter Lebensräume schaffen, heißt es vom Landesbetrieb Wald und Holz: Das erhöhe die Artenvielfalt in seinem Lebensraum deutlich. Auch auf die Wasserqualität wirkt sich die Bautätigkeit des Bibers positiv aus: „Der Biberdamm wirkt wie ein Klärwerk“, erklärt Biologe Reichmann. Nicht zuletzt sei die Aktivität des Bibers gut für den Hochwasserschutz: „Wir haben trockene, heiße Sommer und niederschlagsreiche Winter, so wie jetzt“, sagt Reichmann. In heißen Sommern sei es fatal, wenn Bäche trockenfielen, darunter litten viele Arten. Und in Phasen mit viel Regen sei es wichtig, möglichst viel Wasser in der Landschaft zu halten, sie zur „Schwammlandschaft“ zu machen. Der Biber könne beides leisten, so Reichmann: „Er schafft es, große Bereiche unter Wasser zu halten und dafür zu sorgen, dass Flutwellen gebrochen werden, wenn es zu viel Wasser gibt.“

Das gelingt durch die Dämme, die Biber bauen. „Der Biber macht das, was die Wasserverbände auch machen, wenn es um die Renaturierung von Gewässern, um mäandrierende Verläufe, geht“, sagt Reichmann und fügt schmunzelnd hinzu, „allerdings nicht immer da, wo er soll.“ Herausforderung deshalb mitunter: Gewässer oder Entwässerungsrinnen, durch die Wasser fließen soll, wieder freizumachen, wenn der Biber dort zu viel gebaut hat. „Entwässerungsrohre sind schnell verstopft“, sagt Naturguide Küsters: „Der Biber bringt Äste hinein, schmiert sie dann mit Lehm zu, und dann sind sie dicht.“ So komme es durchaus vor, dass Fußgänger, Radfahrer oder auch Landwirte Aufstauungen meldeten, die dann wieder freigelegt werden müssten.

In Naturschutzgebieten sei der Biber ungestört, sagt Küsters. Doch durch die wachsende Population sei er eben auch an immer mehr Stellen zu finden, an denen man ihn vielleicht nicht erwarte: „In Kempen an dem Regenüberlaufbecken am Außenring, selbst dort ist der Biber schon drin“, sagt Küsters: „Er ist näher, als man denkt.“