Steht nach der Hauptschule auch die Realschule vor dem Aus?
Eltern von Grundschülern sollen der Stadt auf einem Fragebogen Antworten als Entscheidungshilfe geben.
Nettetal. Manchen Eltern, die am späten Dienstagabend die Werner-Jaeger-Halle verließen, dürfte der Kopf gebrummt haben. Da war die Rede von vertikalen und horizontalen Dependancen, von Kooperationsmodellen und einer Realschule plus, für die es aber keine Rechtsgrundlage gibt. Ihnen waren Auszüge aus dem Schulgesetz vorgetragen worden, zu ihnen sprachen Fachberater und schulfachliche Dezernenten. Obendrein bürdete ihnen die Stadt jetzt die Last auf, mit Antworten auf einem Fragebogen entscheidend an der künftigen Schulstruktur Nettetals mitzuwirken.
Selten hat es eine so intensive, Informationsdichte und umfassende Veranstaltung für Eltern von Dritt- und Viertklässlern gegeben. Die wollten eigentlich nur wissen, auf welcher Grundlage sie über den weiteren Schulweg ihres eigenen Kindes entscheiden sollen. „Das ist ein einmaliger Prozess“, kommentierte Claudia Nübel den Abend. Sie ist bei der Bezirksregierung verantwortlich für die Realschulen, ihr Kollege Mattias Otto, der Aufsicht über Gesamtschulen führt, war nicht minder beeindruckt.
Beide sehen die Stadt auf einem guten Weg, weil sie sich nicht in ein anscheinend unvermeidbares Schicksal fügen will. Die Eltern stehen jetzt nämlich vor der Frage, ob es künftig nur noch das Werner-Jaeger-Gymnasium und die Gesamtschule nach der Grundschule gibt, oder ob zusätzlich die Realschule erhalten bleibt.
Die Leiter der weiterführenden Schulen kämpfen vehement für ein Kooperationsmodell: Gymnasium, Gesamtschule und Realschule wollen in partnerschaftlicher Koexistenz Nettetals Kindern die jeweils bestmögliche Bildung vermitteln. Der Haken daran: Die Realschule hat noch nicht den Rechtsrahmen, der ihr eine stärkere Differenzierung des Unterrichts zugesteht. Horst Gerlach brach im Namen der Grundschulrektoren eine Lanze für die Dependance-Lösung. Eine konkrete Erklärung, wie sie gestaltet werden könnte, sei an diesem Abend viel zu kurz gekommen, klagte er. Immerhin hatte Tilman Bieber von der Firma Komplan beide Modelle kurz erläutert: Das „vertikale Modell“, das zurzeit offensichtlich in Verwaltung und Politik besonderes Interesse findet, wäre eine Längsteilung der Gesamtschule.
Vier Züge eines Jahrganges blieben durchgehend von der Klasse fünf bis 13 in Breyell. Parallel dazu würden in Kaldenkirchen drei bis vier Züge ebenfalls von der Klasse fünf bis 13 angesiedelt. Die horizontale Lösung sähe so aus, dass untere Jahrgänge ausnahmslos in Kaldenkirchen unterrichtet werden und die Mittelstufe sowie die Oberstufe hingegen in Breyell zur Schule gehen.
Wolfgang Jöres und Dr. Martin Landman leiten in Brüggen beziehungsweise Viersen „horizontal“ aufgeteilte Gesamtschulen. Beide machten deutlich, dass sie darüber keineswegs glücklich sind. Es gebe einen hohen organisatorischen Aufwand und viele Zeitverluste zulasten der Kinder, hieß es.
So geht es nun weiter: Bis zum 30. Oktober haben die Eltern der Viert- und Drittklässler Zeit, den an sie verteilten Fragebogen auszufüllen und abzugeben. Die Politik wird Anfang November dann im Schulausschuss in öffentlicher Sitzung beraten und entscheiden. Einfließen werden darin auch die Voten der Schulkonferenzen am Gymnasium sowie an Gesamt- und Realschule. Sie haben sich für das Kooperationsmodell entschieden.