Theater: Dauertelefonat auf der Bühne
Gregory B. Waldis überzeugt in dem Ein-Mann-Stück.
Lobberich. Wer sich am Sonntag auf einen entspannten Abend gefreut hatte, der wurde enttäuscht: „Kolls letzter Anruf“ forderte die Zuschauer in der Werner-Jaeger-Halle. Dafür gab es mehrere Gründe. Es ging um einen Justizskandal; Miki Koll (Gregory B. Waldis) telefonierte im Ein-Personen-Stück 85 Minuten lang fast pausenlos. Bedrückend: Das Ganze spielte sich in trostloser von Stahl und Beton geprägter Atmosphäre vor einem Gefängnis statt.
Waldis, bekannt aus der TV-Serie „Sturm der Liebe“, leistet Schwerstarbeit: Als Schauspieler und als Anwalt Koll. Ein Jahr Haft vor Augen — er hatte einem Richter einen Aktenordner an den Kopf geworfen —, erwacht sein Kampfgeist, als er Neues in Zusammenhang mit seinem Prozess erfährt.
In dem Schauspiel von Joshua Sobol geht es um mutiges Engagement. Das Publikum fiebert mit dem Telefonierer mit, zumal der jeden Augenblick ins Gefängnis gehen muss. Sobol lässt den mutigen Anwalt, der sich mit der übermächtigen Pharmaindustrie anlegen will, nicht als perfekten Menschen erscheinen.
So lügt er seine Mutter wegen der bevorstehenden Haftstrafe an. Die vielen Telefonate machen deutlich, dass sein Privatleben eine Katastrophe ist. So fällt es schwer, seiner früheren Referendarin Dana, mit der er privat verbandelt war, den Fall schmackhaft zu machen. Knifflig wird es, als er seine von ihm getrennt lebende Frau mit einbinden muss.
Zwei Zuschauer verließen schon früh das Theater. Die Aufführung verlangte den Besuchern einiges ab, unter anderem die Beantwortung der Frage, ob sie genauso mutig handeln würden wie Koll. Aber das Durchhaltevermögen wurde belohnt: Der furchtlose Anwalt, den Waldis auf perfekte Weise verkörperte, erfährt, dass das todbringende Medikament vom Markt genommen wird und dass kurz zuvor im großen Stil Aktien des betroffenen Pharmakonzerns verkauft wurden.
Delikat: Der Richter hatte seine Finger verbotenerweise im Spiel. Das letzte Telefonat führte der Anwalt dann auch mit diesem Mann — eine verbale Abrechnung der Spitzenklasse. Der anschließende Gang ins Gefängnis fiel vor diesem Hintergrund leicht. Erleichtert war auch das Publikum.