Was Pfarrer aus Nettetal davon halten Christ nur an einem Tag im Jahr?
Nettetal · An Weihnachten besuchen auch Menschen Gottesdienste, die das sonst nie tun. Was Pfarrer darüber denken.
U-Boot-Christen? Nein, diese ironische Bezeichnung für Menschen, die im Weihnachtsgottesdienst in der Kirche „auftauchen“ und dann dort den Rest des Jahres nicht mehr zu sehen sind, will Günter Puts nicht gelten lassen. Und frustrierend findet der katholische Pfarrer für Breyell, Leutherheide und Schaag es auch nicht, wenn die Gottesdienste zu Weihnachten voll sind wie sonst kaum, weil an diesem einen Tag auch Menschen kommen, die im Alltag ansonsten nicht den Weg in die Kirche finden. „Ich freue mich über jeden, der kommt“, sagt Puts, „denn ich denke, die Menschen kommen, weil sie nach etwas suchen.“ Und das ist doch schon mal ein Ansatzpunkt für einen Pfarrer, der davon überzeugt ist, Suchenden in diesen von Krieg überschatteten Zeiten etwas bieten zu können.
Das Angebot ist zu Weihnachten wie zu allen Zeiten Gott und die Kraft, die der Glaube schenken kann, dass Gott in Christus Mensch und Christus Erlöser geworden ist. Und in Krisenzeiten, die viele Menschen ängstigen, ist Puts Botschaft auch das, was dem Matthäus-Evangelium zufolge ein Engel Frauen am leeren Grab des auferstandenen Christus zugerufen hat: „Fürchtet Euch nicht!“ Auch um den Satz „Friede auf Erden den Menschen guten Willens“ aus dem Lukas-Evangelium wird es in Puts Weihnachtspredigt womöglich gehen. Es ist zumindest ein Gedanke, um den er in den Tagen der Vorbereitung des Textes kreiste.
Ein herzliches Willkommen für alle, die kommen wollen – aber ist Puts nicht ein wenig zu optimistisch, was die Motive angeht? Sind es vielleicht einfach nur Äußerlichkeiten – Gesang, Orgelmusik, Kerzenschein, festliches Zeremoniell – die viele der ansonsten fern bleibenden Gäste suchen, weil all das zu Weihnachten irgendwie dazu gehört und nett ist? Puts schüttelt den Kopf und bleibt standhaft in seiner Zugewandheit: „Ich glaube nicht, dass die Menschen kommen, um einfach nur zu konsumieren.“
Hoffnung, dass der Messebesuch den Gläubigen gutgetan hat
Und überhaupt: „Wenn sie kommen, besteht die Chance, dass sie sich vielleicht hinterher sagen: ‚Das hat mir gut getan, darüber denke ich mal nach.’“ Für die Botschaft wäre damit schon etwas gewonnen. Mag die katholische und die evangelische Kirche in theologischen Fragen einiges trennen: Die evangelische Pfarrerin Elke Langer freut sich ebenfalls über jeden Gottesdienstbesucher an Weihnachten, auch über solche, die sie in „ihrer“ Kirche im Ortskern von Lobberich noch nie gesehen hat. Tadelnde Blicke brauchen diese auch von ihr nicht zu erwarten. „Kirche ist nach evangelischem Verständnis dazu da, den Menschen zu dienen, nicht ihnen Vorschriften zu machen oder gar sie zu verurteilen“, sagt Elke Langer.
Zumal die Pfarrerin und Mutter eines Sohnes um die fordernde Routine und den Stress weiß, den die moderne Arbeitswelt Familien beschert. „Ich kann gut verstehen, dass Familien, in denen beide berufstätig sind und sich in der Woche die Klinke in die Hand geben, sonntags Zeit für sich brauchen. Auch Besuche von Familie und Freunden können ja nur am Wochenende sein, weil Menschen oft weit verstreut leben“, sagt sie. Andererseits hat Langer die Erfahrung gemacht, dass nicht zuletzt vom profanen Alltag stark beanspruchten und darauf fixierten Menschen etwas fehlt. „In 90 Prozent der Seelsorgegespräche erfahre ich, dass die Menschen vor etwas große Angst haben. Diese Ängste sind oft rational nicht begründet, es ist oft eine unterschwellige Grundangst“, berichtet sie. Diese Angst resultiere nicht selten daraus, dass grundlegende Fragen nach dem Sinn des Daseins und dem Tod verdrängt werden. Und auch Langers Rezept dagegen ist der Glaube an Gott: „Darauf zu vertrauen, dass es etwas Größeres als uns gibt, dass wir nicht alles alleine regeln müssen, gibt Geborgenheit“, sagt Langer.
Erfahrbar sei das im Gebet – allein, im meditativen Gebet, bei dem man sich dieser Erfahrung öffne, aber auch im gemeinsamen Gebet in einem Gottesdienst. „Das gemeinsame Singen, das Nachdenken über die tiefere Schicht unseres Menschseins ist Gesundheitsprophylaxe“, ist Langer überzeugt. Und wenn der Weihnachtsgottesdienst die seelische Gesundheit fördert, ist das für jeden gut, der teilnimmt. Das Angebot hält Langer aber auch über Weihnachten hinaus aufrecht. Sie habe keine Ansprüche an die Menschen, sagt die Pfarrerin und fügt hinzu: „Ich würde es ihnen wünschen und gönnen, öfter zu erfahren, wie gut es tut, in Gemeinschaft sich für diese andere Wirklichkeit unseres Lebens zu öffnen.“ Ihre Empfehlung lautet daher: regelmäßig Wartungsintervalle für die Seele suchen.